Rund 80 Prozent seines Außenhandels tätigt Österreich mit europäischen Staaten. Der Blick schweift nach Asien, vor allem nach China. Seit Februar ist der EU-Handelsvertrag mit Japan in Kraft. Was kann er bringen?
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Wien. Irgendwann ist jede Hochkonjunktur am Ende angelangt. In Österreich ist es jetzt so weit. Vor wenigen Tagen hatten die Wirtschaftsinstitute IHS und Wifo ihre Wachstumsprognose für heuer nach unten korrigiert, vor allem, weil der besonders für Österreichs bedeutende Außenhandel schwächelt. Die Nachfrage nach Gütern und Leistungen "Made in Austria" geht zurück.
Das hat vor allem mit dem niedrigen Wachstum in Deutschland zu tun, wobei Österreich generell stark von seinen Nachbarländern abhängt, und das wird auch künftig so bleiben. Es ist allerdings ein Bestreben der Politik, den Außenhandel auf mehr Säulen zu verteilen, um die Wirtschaft insgesamt stabiler aufzustellen. Konjunkturelle Schwankungen in anderen Ländern sollten dann weniger stark ins Gewicht fallen. So weit die Theorie.
Seit Februar ist das Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU in Kraft, der Vertrag mit Kanada (Ceta) ebenfalls. Das Abkommen mit den USA (TTIP) ist nach jahrelangen Verhandlungen gescheitert, so bleibt in diesem Fall vorerst nur der nationale Alleingang. Erst kürzlich besuchte eine größere Delegation mit Bundeskanzler Sebastian Kurz US-Präsident Donald Trump, und in China geben sich die internationalen Delegationen ohnehin seit Jahren die Türklinke in die Hand. Auch Österreichs Nomenklatura war im Vorjahr dort, und Kurz fährt Ende April erneut nach China zum Seidenstraßen-Forum.
Die langjährigen Bemühungen zeigen durchaus Wirkung, zumindest ist dies aus den Exportdaten herauszulesen. Der Anteil des Außenhandels mit den Nachbarländern ist seit dem Jahr 2000 von knapp 60 Prozent auf etwa 53 Prozent gesunken, dafür sind die Ausfuhren in die USA, nach China und andere asiatische Länder um einige Prozentpunkte nach oben geklettert. Freilich: Europa dominiert immer noch klar.
China hat sich alsProduzent gemausert
Doch es lohnt, über die EU-Grenzen hinauszudenken. Wie die Ökonomin Birgit Meyer vom Institut für Internationale Wirtschaft an der WU Wien erklärt, ist generell ein Abschwung der Globalisierung zu beobachten. "Exporte und Importe gehen weltweit zurück", sagt sie. "China bildet aber die Ausnahme." Vor allem die Importe aus China stiegen signifikant an - auch in Österreich, und zwar von 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf zuletzt mehr als 9 Milliarden Euro. Das überrascht insofern, als "Made in China" in Österreich wahrlich keine Neuigkeit mehr ist. Woher kommt also der jüngste Anstieg?
Das liege vor allem an der Qualität der Güter, erklärt Meyer. China hat es geschafft, vom Produzenten einfacher Güter zum Exporteur von höherwertigen und damit teureren Produkten zu werden. Vereinfacht gesagt: Aus China kommt heute das Handy, nicht mehr die Hose. Die wird nun in Bangladesch gefertigt. (Was sich auch in den Exportzahlen zeigt.)
Regierung will "Asien-Schwerpunkt" setzen
Wie Außenministerin Karin Kneissl am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" sagte, will die Regierung überhaupt einen "Asien-Schwerpunkt" setzen, also nicht nur auf China achten. Und hier ist auch Japan zu beachten, immerhin eine hochentwickelte Volkswirtschaft mit 127 Millionen Menschen. Einige große japanische Konzerne (Autos, Unterhaltungselektronik) sind hierzulande seit Dekaden wohlbekannt, der Anteil von Ex- und Importen ist dennoch gering und war zuletzt sogar rückläufig. Nur 1,4 Prozent aller Einfuhren nach Österreich kamen aus Japan, bei den Exporten liegt man sogar noch darunter.
Der Freihandelsvertrag mit der EU ist allerdings erst seit Februar in Kraft. Was ist von ihm zu erwarten? "Ein gewisses Potenzial besteht schon, aber wahrnehmbar wird das nicht wirklich sein", sagt IHS-Chef Martin Kocher. Die Auswirkung auf das hiesige Wirtschaftswachstum dürfte unter der Messbarkeit liegen.
Laut Ingomar Lochschmidt, Wirtschaftsdelegierter in Tokio, sind in Österreich rund 50.000 Jobs direkt mit dem Güterexport nach Japan verbunden. Das ist nicht wenig. Zudem sollte sich der Abbau der Zölle für japanische Autos in den Preisen niederschlagen. Auch für die heimische Land- und Forstwirtschaft erwartet Lochschmidt positive Effekte.
Durch den EU-Japan-Deal öffnet sich auch grundsätzlich das öffentliche Beschaffungswesen für europäische Unternehmen. "Aber es gibt noch große nicht-tarifäre Hemmnisse", sagt der Delegierte. Es ist eben nicht sehr populär, wenn von staatlichen Investitionen ausländische Unternehmen profitieren. Das gilt auch für Österreich, Japan aber ist international eine besonders abgeschottete Wirtschaft.
Nicht nur der Handelwird profitieren
Vielleicht ist der Vertrag ein wichtiger Schritt für eine Änderung. Und das könnte langfristig Effekte haben, die über die Wirtschaft hinaus gehen, und den Wissenstransfer zwischen Europa und Japan betreffen. "Da gibt es mehr Potenzial, als man denkt", sagt Kocher.
Wolfgang Mazal, Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien, ist genau deshalb auch dieser Tage in Japan. Er leitet den Schwerpunkt "Vergleichende Sozialpolitik", bei dem untersucht wird, wie alternde Gesellschaften auf die sich abzeichnenden Veränderungen reagieren. Hier und in Japan. Indirekt könnte der Handelsvertrag die Beziehungen sehr wohl vertiefen, glaubt Mazal. "Es gab auch in der Vergangenheit Wechselwirkungen wie etwa in der Forstwirtschaft", erzählt er. Derzeit wird an einem strategischen Partnerschaftsabkommen gearbeitet, um den "seit 20 Jahren bestehenden Partnerschaftsvertrag auf eine neue Stufe zu heben", sagt Mazal.
Dass dem Austausch von Waren meist auch kultureller Austausch folgt, ist hinlänglich bewiesen. Wobei in der heute sehr vernetzten Welt wohl nicht mehr so große Effekte wie einst zu erwarten sind.
Das war vor 150 Jahren noch anders. Damals schloss Österreich seinen ersten Handelsvertrag mit einem völlig abgeschotteten Kaiserreich Japan ab. Wenige Jahre später nahm das Land an der Weltausstellung in Wien teil, die japanische Kunst durchströmte den Kontinent und inspirierte zahlreiche Maler von Vincent van Gogh bis Gustav Klimt. Auch im Jugendstil schlug sich der Japonismus-Hype nieder. Zumindest damals galt: Internationaler Handel hat nicht nur eine Auswirkung auf die Exportzahlen.