Die OMV setzt ihre ganzen Hoffnungen auf Russland, wo sie Öl- und Gas zu wesentlich niedrigeren Kosten fördern könnte.
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Wien. Allein im vergangenen Jahr hat sich der Ölpreis fast halbiert. Dieser Crash hat in der Bilanz der OMV tiefrote Spuren hinterlassen. Unter dem Strich brockte er dem heimischen Öl- und Gasriesen einen Verlust von gut 1,25 Milliarden Euro ein, wobei besonders zu Buche schlug, dass Firmen-Assets um rund 2,8 Milliarden Euro abgewertet werden mussten.
Für den Konzern ist es der erste Jahresverlust seit langem. Eine Dividende soll trotzdem gezahlt werden – fremdfinanziert. Geplant ist eine um ein Fünftel gekürzte Ausschüttung von einem Euro je Aktie, teilte die OMV am Donnerstag mit. Für die staatliche Industrieholding Öbib (vormals ÖIAG), mit einem Anteil von 31,5 Prozent größte Einzelaktionärin, bedeutet dies, dass sie für 2015 mit rund 103 Millionen Euro fast 26 Millionen weniger kassieren wird als für das Jahr davor.
Indes sind auch die Erwartungen für die Zukunft alles andere als rosig. "Wir haben schwierige Jahre vor uns. Die Öl- und Gaspreise sind im Keller, eine Erholung ist nicht in Sicht", sagt Rainer Seele, der im OMV-Chefsessel vor knapp acht Monaten Platz genommen hat.
Die Probleme im Konzern führt der einstige Wintershall-Boss vor allem auf zu hohe Kosten für die Suche nach Öl und Gas zurück. Diese seien im Branchenvergleich zu hoch. Die Ausgaben für Exploration will Seele deshalb deutlich zurückschrauben – binnen zwei Jahren um mehr als die Hälfte auf 300 Millionen Euro.
Weiter drosseln will der deutsche Manager auch die Investitionen des größten österreichischen Industriebetriebs: Sie sollen auf 2,4 Milliarden Euro sinken. "Gegenüber 2014, dem bisher letzten Jahr mit hohen Ölpreisen, ergibt sich damit bis 2016 eine erwartete Reduktion um rund 40 Prozent", wie Seele vorrechnet.
"Jagd nach Volumen" vorbei
Weiter runterbringen möchte der OMV-Chef aber auch die operativen Kosten. Hier sollen bis 2017 – ausgehend vom Niveau von 2014 – in Summe rund 300 Millionen Euro eingespart werden. Ob damit auch Einschnitte beim Personal bevorstehen, lässt Seele offen. Ausgeschlossen sei ein Stellenabbau allerdings nicht. Bereits im Vorjahr sind im Konzern knapp 1400 Jobs weggefallen, weltweit beschäftigte die OMV zuletzt rund 24.100 Mitarbeiter.
Neben der Steigerung der Profitabilität hat für Seele die Sicherung des Cash-Flow (Nettozufluss liquider Mittel) oberste Priorität. Dazu beitragen sollen auch die Erlöse aus dem Verkauf nicht-strategischer Vermögensteile. So sollen etwa bei der Pipeline-Tochter Gas Connect Austria bis zu 49 Prozent der Anteile veräußert werden (das Verkaufsverfahren läuft bereits). Ebenfalls auf den Markt wirft die OMV ihre türkische Tankstellen-Tochter Petrol Ofisi. Die soll nach Möglichkeit aber zur Gänze verkauft werden. Derzeit ist die OMV dabei, eine Investmentbank als Beraterin auszuwählen.
Seele hat am Donnerstag auch die neue Konzernstrategie erläutert. Die bisherige "Jagd nach Volumen" erklärt der OMV-Chef nun jedenfalls für beendet. "Wir fokussieren uns auf die hochprofitablen Barrels – das heißt: Profitabilität geht vor Produktionswachstum", so Seele. Vor diesem Hintergrund sieht er die Produktion bis 2020 bei 300.000 Barrel pro Tag stagnieren. Steigen – auf 360.000 Barrel – könnte die Förderung nur dann, wenn in den Krisenländern Libyen und Jemen wieder produziert wird und der geplante Deal mit der russischen Gazprom rund um eine Viertel-Beteiligung der OMV an dem westsibirischen Öl- und Gasfeld Urengoj gelingt.
Mit Blick auf Urengoj – das Feld gehört zu den größten der Welt – setzt Seele seine ganzen Hoffnungen auf den Einstieg in den russischen Markt. Russland gilt jedenfalls als zentraler Fixpunkt der neuen Konzernstrategie. Dort wären die Produktionskosten wesentlich niedriger als etwa in der Nordsee oder in Rumänien. Liegen sie im OMV-Konzern derzeit durchschnittlich bei rund 13 Dollar pro Fass, wären es in Russland lediglich zwei Dollar.
Um sich an der Ausbeutung von Urengoj beteiligen zu können, bietet die OMV Gazprom Anteile an Firmenvermögen an. Die Due Diligence dafür, die vertiefte betriebswirtschaftliche Prüfung, läuft bereits, laut Seele wird sie noch Monate dauern. Was die Russen bekommen könnten, ist noch unklar. Die OMV hält sich bedeckt. Bereits ausgeschlossen hat Seele aber eine Beteiligung an der Gas Connect oder am Gashub Baumgarten. Auch eine Beteiligung an den Raffinerien in Schwechat und Burghausen soll den Russen nicht angeboten worden sein.
Kein Plan B zu Russland
Sollte der geplante Asset-Tausch mit Gazprom platzen, müsste die OMV ihre Strategie anpassen. Einen Plan B gebe es nicht, so Seele. Vom politischen Umfeld will er sich jedenfalls nicht beeinflussen lassen: "Wirtschaftliche Aspekte sind für uns die vorrangigen Aspekte."
Auch für das zweite Geschäft mit Gazprom, die Beteiligung am politisch hoch umstrittenen Pipeline-Projekt Nord Stream 2, gibt sich der OMV-Chef zuversichtlich. "Das ist ein sicherer Gewinnbringer. Wir investieren in eine unschlagbare Strategie und das Risiko ist denkbar gering." Neue Zielregionen sind auch der Iran und das Golf-Emirat Abu Dhabi.
Pro und Contra
Bei den Sozialdemokraten und der Arbeiterkammer (AK) stößt Seeles neue Strategie auf Kritik. Geht es nach SPÖ-Industriesprecher Rainer Wimmer und AK-Chef Rudolf Kaske, sollte die Republik auf Dividenden der OMV verzichten, damit das Unternehmen Infrastruktur, die für die Energieversorgung des Landes strategisch wichtig ist, nicht verkaufen muss. "Das Gasleitungsnetz muss in öffentlicher Hand bleiben, daher soll die Öbib ein Angebot stellen", fordert Kaske in einer Aussendung.
Die Öbib, das Finanzministerium und der zweite OMV-Kernaktionär, der staatliche Abu-Dhabi-Fonds Ipic, befürworten hingegen Seeles strategischen Kurswechsel. Es gehe dabei um die langfristige Absicherung der OMV im internationalen Wettbewerb und darum, den Konzern so aufzustellen, dass er vom Ölpreis weniger abhängig wird. n