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In die Migrationsrouten kommt Bewegung - doch eine Verschärfung der Lage auf dem Westbalkan zeichnet sich nicht ab.
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Wien. Wird eine Route geschlossen, öffnet sich eine andere. Es ist eine simple Tatsache, die Experten bei Migrationsbewegungen immer wieder bestätigt bekommen. Zuletzt war das am Mittelmeer zu beobachten: Während die Zahl der Ankünfte von Flüchtlingen in Italien zurückging, stieg sie in Spanien. Eine mögliche Ursache dafür war, dass die libyschen Behörden verstärkt gegen Menschenschlepper vorgehen und diese nun auf andere Wege ausweichen.
Auch die Schließung der Westbalkan-Route dürfte die Schmuggler auf Alternativen gebracht werden. So verzeichneten die rumänischen Behörden heuer deutlich mehr Aufgriffe als im gesamten vergangenen Jahr. Knapp 3000 illegale Migranten kamen im ersten Halbjahr in dem Land an, während es 2016 an die 1600 waren. Ein Weg führt über das Schwarze Meer: Die rumänische Küstenwache hat bereits mehrere hundert Bootsflüchtlinge aufgegriffen.
In Rumäniens Nachbarland Ungarn wurden allein im August drei Mal so viele Ankünfte gezählt wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dennoch ist es eine überschaubare Größe: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen dort heuer nicht einmal 900 Menschen an. Im Vorjahr waren es mehr als 19.000 Flüchtlinge.
Bulgarien wiederum will Vorkehrungen treffen und den Schutz der Grenzen zur Türkei massiv ausbauen. Schon jetzt trennen Zäune mit Stacheldraht die beiden Länder; künftig sollen auch hunderte Soldaten zur Bewachung eingesetzt werden. Nichtsdestotrotz mehren sich nun Spekulationen, dass es auch auf der Balkan-Route wieder zu mehr Bewegungen kommen könnte. Die slowenische Polizei hat bereits gemeldet, bis August mehr illegal eingereiste Personen aufgegriffen zu haben als in den ersten sieben Monaten des Vorjahres. Der Großteil der Menschen kam über Italien.
Wien hält an Kontrollen fest
In Österreich aber spricht das Innenministerium von einer "stabilen Situation". Die Zahl der Asylanträge bewege sich bei einigen Dutzend pro Tag. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, zwischen September 2015 und März 2016, als der Transport der ankommenden Menschen staatlich organisiert war, gelangten pro Tag tausende Flüchtlinge ins Land, blieben oder reisten weiter. Dass die Balkan-Route geschlossen wurde, bedeute jedoch nicht, dass die Zahl der Ankünfte nun bei Null liege, heißt es aus dem Ressort von Minister Wolfgang Sobotka. Von einer verstärkten Bewegung sei in Österreich aber nichts zu merken.
Dennoch hält Sobotka an "nationalen Maßnahmen" zum Grenzschutz fest. Zuvor hatte die EU-Kommission eine Aufhebung der Grenzkontrollen im Schengen-Raum, die unter anderem Österreich im Vorjahr eingeführt hatte, empfohlen.
Von einer neuerlichen Verschärfung der Lage gehen Migrationsexperten derzeit allerdings nicht aus. Vielmehr sei die Situation mit jener von 2012 oder 2013, also vor der Flüchtlingskrise, vergleichbar: So wie damals werden auch heute Menschen über die Balkan-Route geschmuggelt, erklärt eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR. Diesen Weg schlagen etwa Syrer und Afghanen ein - jene Flüchtlinge, die ab 2015 zu Zehntausenden in Griechenland angekommen waren. Nach Italien hingegen gelangen großteils Migranten aus Afrika - aus Nigeria, Guinea, Cote d’Ivoire.
Wie IOM weist auch UNHCR daher darauf hin, dass die beiden Routen - jene über das Mittelmeer und jene über den Balkan - sich nicht überlagern, weil dort Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern unterwegs sind. Daher werde auch das Vorgehen der libyschen Behörde vor der afrikanischen Küste kaum Auswirkungen auf die Migrationsbewegungen über Griechenland nach Westeuropa haben.
Beide Organisationen betonen, dass Änderungen der Wege etliche Ursachen haben. Eine Rolle können Grenzkontrollen ebenso spielen wie politische Turbulenzen in den Transitländern.