Zum Hauptinhalt springen

Auf Shakespeares Spuren

Von Daniel Bischof und Christian Rösner

Politik

Ludwig stellt sein Team mit einem Zitat vor: "Lasst kompetente Frauen und Männer um mich sein."


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Wiener Rathaus, Wappensaal am Montag um 12.05 Uhr. Ein paar Dutzend Journalisten warten darauf, dass der künftige Bürgermeister Michael Ludwig sein neues Team präsentiert. Dabei ist die Katze ohnehin schon aus dem Sack. Ein paar Minuten nach Beginn des Parteivorstands hat es einer der Parteifunktionäre nicht mehr ausgehalten und um kurz nach 10 Uhr eine SMS an die Medien losgeschickt. Die Neuigkeiten verbreiten sich schnell über Twitter & Co.

Strenges Regiment

12.10 Uhr. Der Sprecher der SPÖ-Landespartei greift zum Mikro und wendet sich an die Journalisten. "Hallo. In ein paar Minuten kommt das neue Team von Michael Ludwig. Der Ablauf ist so: Zuerst können die Fotografen circa 30 Sekunden lang Fotos machen, dann kommen die Statements. Anschließende Fragen wird dann nur Michael Ludwig beantworten, dann kann noch einmal fotografiert werden".

Die Journalisten schauen sich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Na, das ist ein strenges Regiment - voll der Sebastian Kurz-Style", meint einer. "Pssst. Net schwätzen da, das ist hier verboten", sagt ein anderer und grinst.

Das Blitzlichtgewitter beginnt, Ludwig und das neue Team marschieren in den Wappensaal ein. Ulli Sima, Peter Hacker, Kathrin Gaal, Veronica Kaup-Hasler, Peter Hanke, Jürgen Czernohorszky.

Die Kurzversion: Sima behält das Umweltressort und die Stadtwerke, Peter Hacker übernimmt Gesundheit und Soziales - und bekommt den Sport dazu. Kaup-Hasler wird die neue Kultur- und Wissenschafts-Stadträtin, Peter Hanke Wirtschafts- und Finanzstadtrat, wobei der Presse- und Informationsdienst von der Kultur zum Finanzressort wandert. Czernohorszky bleibt Bildungsstadtrat und Ernst Woller wird Landtagspräsident. Und der Magistratsdirektor Erich Hechtner? "Der bleibt", so Ludwig zur "Wiener Zeitung".

"Eine Wiener Melange"

Ludwig stellte sein Team jedenfalls als "Wiener Melange aus langjähriger Erfahrung und neuen Gesichtern" vor, das viel frischen Wind bringen soll. Und er zitierte frei nach Shakespeare: "Lasst kompetente Frauen und Männer um mich sein, die intelligent und dynamisch sind".

Der zukünftige Bürgermeister räumte auch ein, dass es sich um ein Team voller starker Persönlichkeiten handle, mit denen er nicht immer einer Meinung sein werde. Ein Team, das aus drei Personen mit langjähriger politischer Erfahrung bestehe und drei Personen, die aus anderen Bereichen kommen und neue Ideen einbringen sollen. Und er versicherte, dass sein Personalpaket sowohl vom SPÖ-Präsidium als auch vom erweiterten Vorstand und dem Wiener Ausschuss einstimmig angenommen worden sei. Gewählt werden alle Neuzugänge am 24. Mai im Gemeinderat - auch Ludwig, der sich die Zustimmung sämtlicher Vertreter von Rot als auch von Grün erwartet.

Nach den Einzelstatements der neuen Teammitglieder begann die Fragerunde, die vorgegebener Weise nur auf Ludwig fokussiert war - aus Respekt vor den noch aktuellen Mitgliedern der Stadtregierung, wie Ludwig schließlich betonte. Auf die Frage, warum es keinen Sicherheitsstadtrat gebe, betonte Ludwig einmal mehr, dass dies eine Querschnittsmaterie sei, um die er sich persönlich verstärkt kümmern wolle.

Auch das Thema Zuwanderung sei für ihn und sein Team ein großes Thema - wobei es hier nicht nur um leistbaren Wohnraum und die dazugehörige Infrastruktur gehe, sondern vor allem um die soziale Frage. Hier habe er mit dem Wien-Bonus, der bei der Wohnungsvergabe lange in der Stadt lebende Menschen bevorzugt, bereits ein deutliches Signal gesetzt, wie er am Montag einmal mehr betonte. Und dieses Modell soll künftig auch in anderen Bereichen der Stadt angewendet werden. "Für eine weltoffene Stadt, in der schon lange hier lebende Menschen Vorteile genießen können", so Ludwig.

Was die noch amtierende Finanzstadträtin Renate Brauner betrifft, versicherte Ludwig, mit ihr im besten Einvernehmen zu sein. Sie soll künftig aktiv als "Schnittstelle zwischen Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft" wirken. Vermutlich wird im Umfeld des VöWG (Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs), deren Präsidentin sie bereits ist, ein Posten für sie geschaffen. Der derzeitige Landtagspräsident Harry Kopietz ziehe sich zurück, behalte aber sein Mandat im Gemeinderat.

Ob Ludwig mit seiner Auswahl die richtige Mischung getroffen hat, wird sich erst zeigen. Bunt durchmischt ist die Stadtratsriege nun jedenfalls - das birgt sowohl Möglichkeiten als auch Gefahren.

Das seltsame Wesen

"Dass ich hier stehe, mag einige verwundern. Mich auch", sagte Veronica Kaup-Hasler bei ihrer Vorstellung. Die künftige Kulturstadträtin war politisch bisher ein unbeschriebenes Blatt, ihre Ernennung kommt überraschend. Kaup-Hasler ist eine Theaterfachfrau, von 2006 bis 2017 leitete sie das Festival "steirischer Herbst" in Graz. Auch als Dramaturgin am Wiener Burgtheater, bei den Salzburger Festspielen, am Theater Basel und bei den Wiener Festwochen sammelte sie Erfahrungen.

Sie habe immer dafür gekämpft, Freiräume für die Kunst zu schaffen. Deswegen sei sie nun auch in die Politik gegangen, erklärte sie am Montag. Mit einer unüblichen Selbsteinschätzung sorgte sie bei den anwesenden Journalisten für so manches Schmunzeln: Zuerst wollte sie für sich den Begriff des "bunten Vogels" in Anspruch nehmen. Doch dann dürfte ihr Erhard Busek (der sich selbst so bezeichnet hatte) eingefallen sein, woraufhin sie meinte, dieser Begriff sei bereits besetzt. So begann sie nach einer Alternative zu suchen und sagte schließlich in Richtung Ludwig: "Vielen Dank für den Mut, jemanden zu nehmen, der ein seltsames Wesen ist". Und Ludwig antwortete: "Gerade in der Sozialdemokratie sollten seltsame Wesen Platz haben können". Er habe jedenfalls eine Kulturmanagerin finden wollen, die "Erfahrung hat und nicht zwingend SPÖ-Mitglied ist", so Ludwig weiter.

Geboren wurde Kaup-Hasler 1968 in Dresden als Tochter einer ostdeutschen Sängerin und eines österreichischen Schauspielers. 1970 gelang der Familie die Ausreise aus der DDR nach Wien. Nach ihrer Matura studierte sie Theaterwissenschaften. Parallel zum Studium arbeitete sie als Journalistin und am Burgtheater. Nach dem Abschluss des Studiums widmete sie sich ganz der Theaterbranche.

Viel Zuspruch erhielt das "seltsame Wesen" dann auch gleich von der Wiener Kulturszene. Unter anderem Konzerthaus-Intendant Matthias Naske und Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen lobten Kaup-Hasler.

Der Verwalter

"Auch für mich ist es überraschend, dass ich hier bin", meinte Peter Hacker. Der 54-Jährige übernimmt die Agenden Gesundheit, Soziales und Sport - und damit wohl das schwierigste Ressort. In seine Zuständigkeit fallen etwa das Krankenhaus Nord und die Mindestsicherung. "Ein bisschen ein Unsicherheitsgefühl" sei dabei, gestand Hacker. Er habe Respekt vor den Aufgaben.

Hacker steht seit 2001 dem Fonds Soziales Wien, einer 100-prozentigen Tochter der Stadt Wien, vor. Der Fonds besitzt ein Jahresbudget von 1,7 Milliarden Euro und organisiert unter anderem die Krankenbetreuung, Pflege und Wohnungslosenhilfe für 130.000 Menschen. Der breiteren Öffentlichkeit wurde er auch durch seine Rolle als Wiener Flüchtlingskoordinator bekannt.

Der 1963 geborene Wiener verbrachte weit mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens in der Verwaltung. 1982 begann er bei der Stadt Wien zu arbeiten, 1985 wurde er Berater des damaligen SPÖ-Bürgermeisters Helmut Zilk. Von 1992 bis 2003 war er städtischer Drogenkoordinator. Als Flüchtlingskoordinator kritisierte er Innen- und Integrationsministerium. Beiden warf er sinngemäß mangelnden Willen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise vor.

In Integrations- und Sozialfragen könnte es zwischen Hacker und Ludwig, der in diesem Bereich einen strengeren Kurs als der noch amtierende Bürgermeister Michael Häupl fahren dürfte, noch zu Konflikten kommen. In Sachen eines etwaigen Wien-Bonus bei der Mindestsicherung werde es wohl unterschiedliche Ansichten zwischen ihm und Hacker geben, sagte Ludwig auf eine Journalistenfrage. Das werde man ausdiskutieren. Nachsatz: "Ich gehe davon aus, dass im Zweifelsfall der Wiener Bürgermeister entscheidet."

Der Manager

Am 24. Mai wird Ludwig und sein Team im Wiener Gemeinderat gewählt.
© Rösner

Er galt bereits seit Wochen als aussichtsreicher Kandidat für den Posten: Der Wien-Holding-Direktor Peter Hanke löst seine bisherige Chefin Renate Brauner ab und wird Wirtschafts- und Finanzstadtrat. "Wir spielen bei den europäischen Metropolen ganz oben mit", sagte Hanke. "Die Finanzen für 1,8 Millionen Menschen zu übernehmen, ist eine unglaubliche Herausforderung", räumte er ein. Sparen will Hanke durchaus - wo, das verriet er noch nicht. "Sparen ja, aber nicht bei den Menschen", ergänzte Ludwig.

Hanke wurde 1964 in Wien geboren. Er studierte Betriebswirtschaft, seit 1993 ist er in der Wien Holding tätig, 2002 stieg er an die Spitze auf. Derzeit leitet er die Wien Holding gemeinsam mit Sigrid Oblak. In der Wien Holding sind die Beteiligungen der Stadt gebündelt, dazu gehören beispielsweise der Hafen Wien, die Messe Wien und die Wiener Stadthalle.

Der 54-Jährige hat keine Parteilaufbahn vorzuweisen. Abseits des Managerjobs sitzt er aber etwa auch im erweiterten Vorstand der Kinderfreunde, einer SPÖ-Vorfeldorganisation.

Die Favorit(ner)in

Sie wird Ludwigs Nachfolge antreten: Kathrin Gaal wird den scheidenden Wohnbaustadtrat Ludwig beerben und auch die Frauenagenden übernehmen. Die 42-Jährige ist Bezirksparteivorsitzende der SPÖ-Favoriten und Wiener Gemeinderätin. Als Sozialdemokratin seien ihr "das leistbare Wohnen und der Sozialbau sehr wichtig", betonte sie. Auch müsse der "Wohnbau Hand in Hand mit der Infrastrukturentwicklung gehen."

Gaal wurde 1976 in Wien geboren, nach der Matura studierte sie Jus. Von 2001 bis 2005 war sie Bezirksrätin in Favoriten, 2005 wurde die damals 29-jährige Studentin Abgeordnete zum Wiener Gemeinderat. Seit 2009 ist sie im Vorstand der Wiener SPÖ. 2011 übernahm sie von ihrem Vater, dem ehemaligen Nationalratsabgeordneten Anton Gaal, die Führung der SPÖ-Favoriten.

Im Rennen um die Nachfolge Michael Häupls unterstützte sie Ludwig. Gaal ist verheiratet und hat eine Tochter.

Die Langzeitstadträtin

Sima wird weiterhin Stadträtin für Stadtwerke und Umwelt bleiben. Sie sei für das "Lebensqualitätsressort" zuständig, sagte Sima. Sie verwies dabei darauf, dass Wien zum neunten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt gekürt wurde. Ihr wichtiges Anliegen: "Die Daseinsvorsorge muss weiterhin in kommunaler Hand bleiben." Gleichzeitig wolle sie aber auch die Einhaltung von Spielregeln fordern, etwa im Bereich illegale Wettlokale bis hin zum Praterstern.

Die 1968 in Klagenfurt geborene Sima schloss 1994 ihr Molekularbiologiestudium ab. Sie arbeitete für die Umweltschutzorganisation Global 2000. Es folgte der Wechsel in den Nationalrat, wo sie 1999 Abgeordnete für die SPÖ wurde. Seit 1. Juli 2004 ist sie bereits als Stadträtin tätig.

Die junge Generation

Seinen Job behalten darf auch Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky. Dass Sima und er bleiben können, wird auch als Zugeständnis an den linken Flügel der Wiener SPÖ gewertet. Die Gesellschaft dürfe nicht auseinanderfallen, meinte Czernohorszky. Daher sei es auch notwendig, dass die Politik die Herausforderungen benenne und keine Sündenbocke suche. "Wien soll eine Stadt bleiben, in der man in jedem Grätzel Zuhause sein kann."

Czernohorszky wurde 1977 in Eisenstadt geboren. Er studierte von 1995 bis 2001 Politikwissenschaft in Wien. 2001 sattelte er auf Soziologie um, 2008 schloss er das Studium ab. Von 2001 bis 2015 war er Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien. 2015 wurde er amtsführender Präsident des Wiener Stadtschulrates. Diese Funktion übte er aus, bis er 2017 Stadtrat wurde.

Das Urgestein

Mit Ernst Woller wird ein SPÖ-Urgestein neuer Wiener Landtagspräsident. Der 64-Jährige ist - mit kurzer Unterbrechung - seit 1988 im Gemeinderat und Landtag vertreten. Zuletzt war er Kultursprecher. Woller wurde 1954 im 3. Bezirk geboren, bereits als 13-Jähriger dockte er 1967 bei der Sozialistischen Jugend an. Er wurde 1978 Bezirksrat, parallel dazu studierte er Informatik, Rechentechnik und Politikwissenschaften. Mit knapp vier Jahrzehnten als Gemeinderat ist er derzeit Wiens längst dienender Mandatar. Woller gilt als Ludwig-Unterstützer. Er ist verheiratet und hat drei Söhne und zwei Töchter.

Gemischte Reaktionen

Die Spitzen der Grünen Wien begrüßten in einer ersten Reaktion die Einigung rund um die Personalfragen beim Koalitionspartner SPÖ, forderten aber zugleich die weitere Umsetzung des Koalitionsvertrages. "Wir messen die Personen nicht an dem, was sie bisher gesagt haben, sondern an der Zusammenarbeit entlang des rot-grünen Arbeitsübereinkommens", sagte der grüne Klubchef David Ellensohn.

Die FPÖ bezeichnete den Regierungsumbau als "einzige Enttäuschung für die durch rot-grüne Skandale geplagte Wiener Bevölkerung". Es werde am 24. Mai keine einzige Stimme der 34 FPÖ-Abgeordneten geben, kündigte der geschäftsführende FPÖ-Landesparteiobmann Johann Gudenus an.

ÖVP-Landesparteiobmann und Bundesminister Gernot Blümel sei "froh über jede Veränderung in Wien". Zu lange habe der Stillstand innerhalb der Stadtregierung gedauert, hieß es am Montag. "Ich lade Veronica Kaup-Hasler zu einem sehr zeitnahen Austausch ein und habe mein Büro bereits mit der Terminfindung beauftragt", so der Kulturminister weiter. Ob die ÖVP dem Team am 24. Mai zustimmen wird, ließ er offen.

Skeptisch zeigten sich die Neos. "Viel Neues ist durch die Protagonisten nicht zu erwarten. Die meisten sind ja seit Jahren Teil des SPÖ-Systems. Wir werden aber vor allem den neuen Stadträtinnen und Stadträten die Chance geben, die vielen Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen", sagte Klubchefin Beate Meinl-Reisinger.