Bei einem Gipfeltreffen stecken die 27 EU-Staats- und Regierungschefs den Rahmen für die Brexit-Verhandlungen ab.
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Brüssel. Menschen, Geld und Irland - um diese Themen sollen sich die Brexit-Verhandlungen rund um den EU-Austritt Großbritanniens zunächst drehen. So fasste es EU-Ratspräsident Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben an die 27 Staats- und Regierungschefs zusammen, die er am Samstag in Brüssel erwartete. Bei ihrem Gipfeltreffen wollten die Spitzenpolitiker die Leitlinien und damit den Rahmen für die Gespräche mit London abstecken. Am 22. Mai soll dann der ehemalige EU-Kommissar Michel Barnier sein Mandat als EU-Chefverhandler erhalten.
Danach soll er die Reihenfolge einhalten, die sich die EU wünscht und die Großbritannien weniger gefällt: Zuerst kommen die Verhandlungen über den Austritt und erst später jene über die künftige Partnerschaft. London hätte dies lieber parallel zueinander behandelt, doch die Union will sicherstellen, dass die Beratungen über die künftigen Beziehungen erst aufgenommen werden, wenn es einen "ausreichenden Fortschritt" bei den Abschiedsgesprächen gebe. Und die Kriterien dafür werden eben vor allem in drei Bereichen gemessen: bei den Bleibe-Garantien für in Großbritannien wohnende EU-Bürger, bei der Erfüllung finanzieller Verpflichtungen und einer Lösung für Nordirland, wo eine harte Grenzziehung zu Irland und damit neues Konfliktpotenzial vermieden werden soll.
Tauziehen um EU-Agenturen
Es gilt aber auch, kleinere Probleme zu bewältigen. Dazu gehört beispielsweise der Umzug von EU-Behörden, die das Königreich gerne weiter beherbergt hätte, weil damit hunderte Arbeitsplätze und Einnahmen verbunden sind. Allerdings kommt für die anderen Mitgliedstaaten nicht in Frage, dass die Arzneimittel-Agentur und die europäische Bankenaufsicht in einem Nicht-EU-Land angesiedelt sind. Das Interesse, die Institutionen zu sich zu holen, ist in etlichen Staaten enorm - auch Wien bewirbt sich als Sitz für die Arzneimittel-Agentur. Wie deren Mietvertrag, der noch bis 2039 läuft und Zahlungen in Millionen-Euro-Höhe vorsieht, gekündigt werden soll, ist aber noch unklar.
Eine Debatte wird es ebenso darum geben, wer überhaupt für die Umsiedlung der Behörden zahlen soll. Aus Sicht der Union wäre es die Angelegenheit Großbritanniens, das ja mit seinem Austrittswunsch den Umzug erst nötig gemacht habe. Doch sollte bei diesem nicht viel Zeit verloren werden, meinte ein EU-Diplomat. Die Agenturen brauchen unter anderem Planungssicherheit. Daher wollte Tusk bei der Zusammenkunft am Samstag schon einen Zeitplan zur Diskussion stellen. Bei ihrem nächsten regulären Gipfeltreffen im Juni könnten die Staats- und Regierungschefs dann eine Entscheidung zum Prozedere fällen.
Ob sie bis dahin und darüber hinaus die Einheit bewahren, die sie derzeit immer wieder beschwören, wird sich zeigen. Bis jetzt aber hält die Einmütigkeit, die sonst unter den Mitgliedstaaten nur selten zu beobachten ist, an. Das ist nicht zuletzt der Verhandlungsstrategie geschuldet, Gespräche gemeinsam und damit aus einer stärkeren Position heraus zu führen statt sich durch parallele bilaterale Beratungen auseinanderdividieren zu lassen.
Recht schnell haben sich die Regierungen daher auf den Rahmen der Gespräche geeinigt. Gerade einmal einen Monat haben sie dafür gebraucht, während die Briten zwischen dem Brexit-Votum und dem offiziellen Austrittsantrag neun Monate verstreichen ließen.
Zügige Gespräche erwünscht
Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten beschlossen haben, einen Chefunterhändler unter der Ägide der EU-Kommission zu beauftragen, zeugt ebenfalls vom Willen, die Verhandlungen zügig zu führen. Freilich soll Barnier den Mitgliedstaaten regelmäßig Bericht erstatten, und es werden auch die Regierungen sein, die im Zuge der Gespräche die Prinzipien zu bestimmten Bereichen vorgeben. Dennoch sollen die Arbeiten nicht durch langwierige Prozesse zur Entscheidungsfindung gelähmt werden. Das gilt auch für die Einbindung des EU-Parlaments: Es soll informiert werden, muss aber nicht jeder weiteren Phase zustimmen.
Wann Barnier offiziell in seiner Funktion tätig wird, hängt aber nicht nur von der EU, sondern ebenso von den Briten ab. Möglicherweise wird nämlich sein Gesprächspartner aus London erst nach den für Juni angesetzten Wahlen auf der Insel fix sein.
Die Europäische Union sei jedenfalls bestens für die Brexit-Verhandlungen vorbereitet, heißt es von vielen Seiten. Barnier betont es ebenso wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die London zuletzt vor Illusionen warnte. Viel Zeit dafür bleibt den Partnern sowieso nicht: Im März 2019 sollen die Austrittsgespräche zu Ende gehen.