Air-France-Airbus: Weiter Rätselraten um Absturzursache. | Opfer stammen aus 32 Ländern. | An Bord waren auch acht Kinder. | Paris. Eine wahre "Luftfahrtkatastrophe" - so nannte Pierre-Henri Gourgeon, Chef der Fluggesellschaft Air France, den mutmaßlichen Absturz eines Airbus A 330-200 auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris.
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Einen Tag nach dem größten Unglück in der zivilen Luftfahrt seit 2001 herrschte am Flughafen Charles de Gaulle in Paris keine hektische Katastrophenstimmung mehr - sondern drückende Stille. Hier, am Terminal 2D, hätte die Maschine am Pfingstmontag um 11.10 Uhr ankommen sollen. Doch die letzten Signale hatte sie um 4.14 Uhr, irgendwo auf halbem Weg zwischen der brasilianischen und der afrikanischen Küste, gesendet. Dann verschwand sie von den Radarschirmen und vermutlich im Ozean.
Eine erschütternde Nachricht für die Angehörigen der Vermissten, die vergeblich auf deren Ankunft warteten. Außer den zwölf Crewmitgliedern waren 216 Passagiere an Bord der Maschine, darunter laut Air France auch eine 27-jährige Österreicherin.
Immer mehr Einzelschicksale werden bekannt, die die Tragik des Unglücks noch verdeutlichen. So waren sieben Kinder und ein Baby auf der Passagierliste, außerdem neun junge Kollegen aus Südfrankreich, die mit dem Brasilien-Trip von ihrer Firma für herausragende Leistungen belohnt wurden. Unter den Opfern sollen auch der 26-jährige brasilianische Prinz Pedro Luís von Orléans-Braganza, eine brasilianische Sängerin sowie ein Manager des Stahlunternehmens ThyssenKrupp sein. Die Opfer stammen aus 32 verschiedenen Ländern.
Um das Unglück verarbeiten zu können, nahmen auch gestern rund 100 Angehörige die psychologische Hilfe des Krisenzentrums am Pariser Flughafen in Anspruch - abgeschirmt von den vielen Journalisten und Kamerateams auf der Suche nach Emotionen und Eindrücken. "Das Schlimmste ist, dass wir nicht wissen, was eigentlich passiert ist", sagte der junge Steward Christophe sichtlich betroffen. Er habe aber keine Angst, sein Flugzeug zu besteigen: "So etwas Schreckliches passiert nicht zweimal hintereinander."
Airbus sicher genug?
Am Dienstagnachmittag hat die brasilianische Luftwaffe Wrackteile geortet. Kleine Trümmerteile, Öl- und Kerosinspuren sowie ein Flugzeugsitz wurden rund 1100 Kilometer vor der brasilianischen Küste entdeckt. Ob es sich dabei um Überreste von Flug AF477 handelt, kann aber erst dann mit Sicherheit gesagt werden, wenn auch ein Fundstück mit einer Seriennummer geborgen wird.
Unterdessen geht das Rätselraten um die Unglücksursache weiter. Laut französischen Medien fielen bei dem Unglücks-Airbus mindestens drei Minuten lang alle Systeme aus. Am Dienstag wurden jedenfalls weder Blitzschlag, Turbulenzen noch ein Terroranschlag als Ursache ausgeschlossen.
In der französischen Presse wurde aber auch die Frage diskutiert, ob der Airbus A 330, von dem über 600 Exemplare weltweit im Einsatz sind, ein sicheres Flugzeug sei. Laut Air France war die Maschine erst am 16. April überprüft worden. Für das französische Traditionsunternehmen handelt es sich um das schlimmste Unglück in seiner 76-jährigen Geschichte. Dementsprechend intensiv bemüht man sich nun um Schadensbegrenzung.
Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Unglücksortes sind allerdings keine Seltenheit. Derzeit sind zumindest drei Fälle bekannt, in denen das Wrack oft tagelang nicht gefunden wurde. Am 1. Jänner 2007 verschwand eine Maschine auf dem Flug nach Sulawesi mit 102 Menschen an Bord, darunter elf Kinder. Trotz einer groß angelegten Suchaktion wurde erst am 10. Jänner ein Wrackteil gefunden. Am 31. Oktober 1999 wurde vor der Ostküste der USA ein Flugzeug der Egypt Air mit 217 Menschen an Bord vermisst. Die Maschine war in einen See gestürzt. 1996 verschwand ein nigerianisches Flugzeug mit 143 Menschen an Bord. Einen Tag später wurden schließlich Wrackteile in einer Lagune gefunden.