Am 1. Juni tritt das Unternehmensrechtsänderungsgesetz in Kraft. | Mehr Berichtspflichten stärken die Finanzchefs. | "Wiener Zeitung":Was kommt auf Unternehmen durch das Unternehmensrechtsänderungsgesetz zu?
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Karin Gastinger: Neu ist, dass von Unternehmen mehr Transparenz gefordert ist - vor allem von börsennotierten Unternehmen. Und dass neue Aufgaben auf den Prüfungsausschuss (Organ des Aufsichtsrats, Anm.) von Unternehmen im öffentlichen Interesse zukommen werden.
Was sind Unternehmen im öffentlichen Interesse?
Das sind kapitalmarktorientierte Unternehmen - die also Aktien oder sonstige Wertpapiere auf regulierten Märkten vertreiben - beziehungsweise Unternehmen mit einer Bilanzsumme ab 96,25 Millionen Euro oder mit Umsatzerlösen in den letzten zwölf Monaten von 192,5 Millionen Euro aufwärts. Die brauchen künftig einen Prüfungsausschuss.
Was sind die neuen Aufgaben des Prüfungsausschusses?
Der Prüfungsausschuss muss künftig auch laufend den Rechnungslegungsprozess, das interne Kontrollsystem (IKS), Risikomanagement und die interne Revision überwachen.
Aber wie genau diese Überwachung ausschauen soll…
…wird die Praxis zeigen.
Was kommt sonst noch auf Unternehmen zu?
Für börsennotierte Unternehmen ist es die Darstellung des IKS und des Risikomanagements im Lagebericht, für kapitalmarktorientierte Unternehmen der Corporate-Governance-Bericht und die Corporate-Governance-Erklärung.
Derzeit sind nur Unternehmen, die im Prime Market an der Wiener Börse notieren, verpflichtet, eine Corporate-Governance-Erklärung abzugeben. Nun trifft es alle Unternehmen, die an der Wiener Börse notiert sind. Das heißt, dass es auch für die Anleger viel transparenter wird.
Bringt der Corporate-Governance-Bericht für Unternehmen nur Mehraufwand oder auch Vorteile?
Man hat den Vorteil, dass man damit eigentlich ein kleines Qualitätsmanagement macht. Das ist wie eine Checkliste, die man abarbeitet und dann auf mögliche Lücken draufkommt wie etwa, dass man die Hauptversammlung nicht rechtzeitig ausschreibt. Es schafft mehr Transparenz.
Wird es künftig keine Bilanzskandale mehr à la Bawag und Bank Burgenland geben?
Wo eine kriminelle Energie vorhanden ist, nützt auch das ärgste Kontrollsystem nicht. Aber die Schlampereien bekommt man damit in den Griff.
Wer ist von der Neuregelung am meisten betroffen?
Die weitestreichenden Änderungen betreffen Genossenschaften. Wenn diese einen Aufsichtsrat haben und bestimmte Voraussetzungen erfüllen, müssen sie auch einen Prüfungsausschuss und ein IKS haben.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung?
Jedes Unternehmen hat in gewisser Weise ein internes Kontrollsystem. Die Frage ist, ob man dieses nachvollziehbar und transparent dokumentieren kann. Diese Herausforderung stellt sich auch beim Risikomanagement.
Was passiert, wenn man die Dokumentationspflichten nicht erfüllt?
Da gibt es schon derzeit strafrechtliche Bestimmungen für Vorstand und Aufsichtsrat. Man darf auch nicht das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz vergessen - die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen.
Dadurch dass der Gesetzgeber interne Kontrollsysteme, Risikomanagement und interne Revision außerhalb des Banken- und Versicherungswesen erstmals erwähnt, wird da ein Fokus darauf gerichtet. Wenn man dort Fehler hat und irgendein strafrechtlich relevanter Tatbestand erfüllt ist, kann das über das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz für die Firma weitreichende Konsequenzen haben.
Aber die Strafbestimmungen wurden nicht verschärft?
Nein, außer für die Abschlussprüfer. Wenn die jetzt zum Beispiel trotz Ausschlussgrund oder Befangenheit tätig werden, bekommen sie kein Entgelt. Neu ist auch das Tätigkeitsverbot in der geprüften Gesellschaft für zwei Jahren.
Was passiert Unternehmen, wenn sie ihrem Abschlussprüfer innerhalb dieser zwei Jahre eine leitende Stellung anbieten?
Es kann nur der Abschlussprüfer belangt werden.
Welchen Nutzen bringt die Neuregelung für Unternehmen?
Der CFO (Finanzchef, Anm.) hat jetzt mehr Überblick über das, was im eigenen Betrieb läuft. Wenn man IKS und Risikomanagement macht, trägt das auch dazu bei, dass die Prozesse nebenbei optimiert werden. Allein indem man sich die Prozesse genau anschaut, hat man ein Prozess-Optimierungspotenzial, das mittelfristig auch ein Einsparpotenzial birgt.
+++ Wissen: URÄGZur Person
Karin Gastinger, geboren am 11. März 1964 in Graz, war von 2004 bis 2006 österreichische Justizministerin. Seit August 2007 ist die ehemalige BZÖ-Politikerin Partnerin bei der Unternehmensberatung Beyond.