Die Rechtsaußen-Fraktion im Europäischen Parlament steht. FPÖ und Co. holen sich mit der litauischen Partei Ordnung und Justiz und dem polnischen Kongress der Neuen Rechten aber alles andere als verlässliche Partner.
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Brüssel/Wien. Was lange währt, wird endlich gut. Heißt es zumindest laut Sprichwort. Jahre zimmerte die FPÖ bereits an einer Allianz rechter Parteien, die eine Fraktion im Europäischen Parlament bilden sollen. Zustande gekommen ist sie bisher jedoch nie. Schließlich müssen sich zumindest 25 Mandatare aus sieben Ländern zusammenschließen. Am Mittwoch meldete die APA den Durchbruch: Neben der FPÖ waren von Anfang an der französische Front National, die italienische Lega Nord, Geert Wilders’ Partij voor de Vrijheid aus den Niederlanden und der belgische Vlaams Belang als Fixstarter an Bord. Komplettiert wird das Septett der "Europäischen Allianz für die Freiheit" nun von der litauischen Partei Ordnung und Justiz und dem Kongress der Neuen Rechten aus Polen.
Zweite Wahl
Vor der Kamera werden die Parteien von einer Wunschkonstellation sprechen. Tatsächlich sind die neuen Partner aus Polen und Litauen nichts anderes als zweite Wahl. Denn ursprünglich war ein Bündnis mit den Schwedendemokraten und der Slowakischen Nationalpartei (SNS) geplant. Bloß schaffte die SNS erst gar nicht den Sprung in die Parlamente von Brüssel und Straßburg. Und die schwedischen Rechtspopulisten docken bei der Fraktion des britischen EU-Austrittsbefürworters Nigel Farage an.
Fieberhaft wurde im Rechtsaußen-Lager nach Alternativen gesucht - ausgerechnet bei einem bisherigen Partner Farages wurde man fündig. Ordnung und Justiz (TT) wechselt die Fronten.
Springt Abgeordneter ab?
Die litauische Gruppierung erreichte bei den Europawahlen Ende Mai 14,3 Prozent und holte sich damit zwei Abgeordnetenmandate. Doch steht noch nicht einmal fest, ob sich tatsächlich beide Parlamentarier der neuen Fraktion anschließen werden; möglicherweise macht nur einer diesen Schritt.
Dieser Wankelmut ist typisch für jene Partei, die 2002 als Liberaldemokratische Partei gegründet wurde. Deren starker Mann, Rolandas Paksas, war Bürgermeister der Hauptstadt Vilnius, Premier und Präsident - er wurde letzteren Amtes wegen unrechtmäßiger Verleihung einer Staatsbürgerschaft und des Verrats von Amtsgeheimnissen enthoben. Paksas gilt politisch als völlig unberechenbar. "In den vergangenen Jahren ist TT Richtung Rechtspopulismus abgedriftet, zudem gesellschaftspolitisch konservativer geworden und betont die Eigenständigkeit Litauens", sagt Mažvydas Jastramskis im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Der Politikwissenschafter an der Universität Vilnius bezeichnet die TT als "selektiv euroskeptisch". Während Marine Le Pen die EU am liebsten implodieren sehen möchte, sind die neuen Partner aus Litauen nicht prinzipiell gegen die Union. Auch die mit 1. Jänner 2015 geplante Einführung des Euro in dem baltischen Staat wird von der TT nicht rundum abgelehnt; nach ihrem Geschmack erfolgt die Integration jedoch zu rasch.
Keine Putin-Bewunderer
Nicht auf einer Wellenlänge liegt die TT mit vielen ihrer Partner auch, was das Verhältnis zu Russland angeht. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und Le Pen goutieren sowohl das Vorgehen von Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt als auch dessen gesellschaftspolitischen Kurs wortreich und mit viel Verve. "Putin verteidigt die europäische Zivilisation", sagte Le Pen gar. Die litauische TT schließt sich zwar im Gegensatz zu anderen Parteien im Baltikum nicht den scharfen Putin-Kritikern an. "Sie agiert pragmatisch, denn ein Gutteil ihrer Wähler hegt noch nostalgische Gefühle für die Sowjetunion. Allerdings betonte Paksas die territoriale Souveränität der Ukraine und Russlands. Er plädierte für einen runden Tisch zwischen den beiden Ländern, der EU und den Vereinten Nationen", erklärt Forscher Jastramskis.
Derart verständnisvoll für russische Positionen argumentiert man in Polen nicht, zu tief sitzen die historischen Animositäten. In dieser Frage werden der Kongress der Neuen Rechten (KNP) mit Front National, FPÖ und Co. keine Überschneidungen finden. Auch wirtschaftspolitisch könnte es im Gebälk krachen, schließlich ist die KNP gegen jegliche staatliche Interventionen, während sich die FPÖ als "soziale Heimatpartei" bezeichnet oder auch die niederländische PVV deutlich marktliberaler auftritt als die Freiheitlichen.
Ernst genommener Clown
Vorsitzender des KNP ist mit Janusz Korwin-Mikke ein Mann, der bereits zu 16 Präsidentschafts-, Parlaments- und Europawahlen angetreten, aber grandios gescheitert ist. Bei vier Bewerbungen um das Amt des Staatspräsidenten erreichte er nur zwischen 1,43 Prozent und 2,48 Prozent. Milde belächelt wurde der Befürworter der Todesstrafe und Gegner der EU lange. Doch kommt Korwin-Mikkes Stimmungsmache gegen die "politische Klasse", die er als "Bande von Dieben bezeichnet", nun an. Bei der Europawahl schaffte der KNP 7,2 Prozent.
Die Zusammenarbeit in der neuen Fraktion verspricht also spannend zu werden. Sie bringt den Parteien nicht nur Geld, sondern auch Einfluss, da sie Sitze in Parlamentsausschüssen erhalten. Springt ein Land ab, ist es allerdings mit der Fraktion vorbei. Und die Partnersuche müsste von Neuem beginnen.