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Auf Wahlkampf folgt Kampf um Konsens

Von Alexander U. Mathé

Politik
Das Repräsentantenhaus ist in Republikaner-Hand, neuer Mehrheitsführer wird wohl John Boehner. Foto: reuters

Republikaner versprechen Blockade. | Washington. Es war ein Erdrutschsieg der Extraklasse und eine der größten Wählerbewegungen in den USA der letzten 50 Jahre: Die Demokratische Partei hat bei den Kongresswahlen am Dienstag praktisch alles verloren, was sie im Zuge der Anti-Bush-Bewegung 2006 und der Präsidentschaftswahl 2008 mit Barack Obama dazugewonnen hatte.


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Gleich 60 Mandate sind den vorläufigen Ergebnissen zufolge im 435-köpfigen Repräsentantenhaus zu den Republikanern gewandert - und es könnten noch mehr werden. Denn in 13 Wahlkreisen stand das Ergebnis noch nicht fest. Die Republikaner halten somit während der letzten zwei Jahre von Obamas Amtszeit eine komfortable Mehrheit von 238 Sitzen, während die Demokraten derzeit über 183 Abgeordnete verfügen.

Die zornigen Wähler haben die Regierenden in Washington abgestraft, das ist nichts Ungewöhnliches in einem Land, das mit Hingabe Misstrauen gegen "die da" in Washington pflegt. Doch es hätte schlimmer für Obama kommen können. Denn im 100-köpfigen Senat sicherten sich die Demokraten eine hauchdünne Mehrheit von 52 Sitzen. Besonders wichtig war, dass der demokratische Mehrheitsführer, Harry Reid, sein Amt verteidigen konnte. Gilt er doch als Mastermind der Kammer und wäre im Falle einer Niederlage der erste amtierende Mehrheitsführer seit 58 Jahren gewesen, der von seinen Wählern aus dem Amt geworfen wird.

"Werden alles stoppen"

Trotzdem, das Ergebnis bedeutet für Obama, dass er künftig praktisch nur mehr mit Zustimmung der Republikaner regieren wird können. Schließlich müssen neue Gesetze von beiden Kammern des Parlaments verabschiedet werden. Gleich nach der Wahl hat Obama den designierten neuen Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, angerufen, ihm zum Wahlsieg gratuliert und gesagt, dass er sich schon auf die Zusammenarbeit mit ihm freue.

Angesichts der ausgesprochenen Feindseligkeit der Republikaner gegenüber Obama, wirkte das geradezu sarkastisch. Boehner verkündete umgehend, was er mit Gesetzesprojekten der Demokraten vorhat: "Wir werden alles machen - und ich meine wirklich alles -, was wir können, um sie zu töten, zu stoppen, zu bremsen." Projekte wie Energie, Immigration und Klimaschutz sind somit so gut wie gestorben.

Bestehende Gesetze wie die Gesundheitsreform oder die Finanzregulierungen Obamas werden die Republikaner aber kaum rückgängig machen können. Denn selbst wenn sie die Änderungen durch den Kongress brächten, bleibt Obama ein Vetorecht. Das wiederum kann der Kongress nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit in jeder Kammer überstimmen.

Dafür herrschen die Republikaner künftig über den Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses, der Ermittlungsverfahren eröffnen kann, die Obama und seine Politik unter die Lupe nehmen und empfindlich stören können.

Um wenigstens ein wenig regieren zu können, sind die Demokraten offenbar zu schmerzhaften Zugeständnissen bereit, etwa bei der mühevoll durchgebrachten Gesundheitsreform. "Wenn wir bei der Gesundheitsreform etwas optimieren müssen, bin ich bereit für ein bisschen Optimierung", sagte Harry Reid gleich nach der Wahl.

Gut für die Wirtschaft

Glaubt man der Statistik, könnte eine Blockade Präsident Obama allerdings sogar recht sein. Bisher ist die Wirtschaft der USA nämlich immer während eines "divided government" (wenn mindestens eine Kammer von einer anderen Partei als der des Präsidenten kontrolliert wird) stärker gewachsen, als wenn Präsident und Kongress derselben Partei angehörten. Das wird teilweise dem Effekt zugeschrieben, dass die Parteien einander gegenseitig die gewünschten Ausgaben blockieren. In der Wall Street wird bereits jubiliert: "Die Märkte lieben politischen Stillstand", sagte Investor Kenneth Fisher dem Wirtschaftsdienst Bloomberg und prophezeite eine Börsen-Rallye. Sollte tatsächlich nun ein wirtschaftlicher Aufschwung folgen, so würde das Obama helfen, denn es war vor allem die schlechte Wirtschaftslage, die die Demokraten ihre Mehrheit gekostet hat.

Schmerzhaft mit Blick auf die nächsten Präsidentschaftswahlen ist für Obama der Ausgang der Gouverneurswahlen. Gleich acht Gouverneursposten haben die Republikaner dazugewonnen, vier weitere dürften nach endgültiger Auszählung folgen. Damit hätten sie 30 der 50 Gouverneure, die eine wichtige Unterstützung bei den Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren darstellen.