Nach der Wartburg-Schlappe will die Deutsche Burschenschaft Abtrünnige wieder heim in den Verband holen.
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In Eisenach, einer Stadt in Westthüringen, findet jedes Jahr der Deutsche Burschentag statt, eine Feier des Dachverbands der Deutschen Burschenschaften (DB). Offiziell soll die Veranstaltung an den Kampf der "Urburschenschaft" im 19. Jahrhundert für Freiheit und Demokratie gemahnen. Praktisch läuft das Fest der Kappen- und Farbenträger auf völkische Folklore hinaus. Es gibt Biergelage, Fackelzüge, Gefechte und andere typische Lustbarkeiten.
Dabei bleibt es aber selten. Vor der Veranstaltung im vergangenen Jahr wurden etwa Anträge auf einen "Ariernachweis" aufgelegt, später allerdings nach öffentlicher Kritik wieder zurückgezogen. Anlass war die Aufnahme eines Burschenschafters mit chinesischen Wurzeln. Immer wieder fallen Burschenschafter des DB mit Verbindungen zur rechtsextremen, gewaltbereiten Szene auf.
Weil der Dachverband der Burschenschaften unübersehbar nach rechts gerückt ist, kam es zu einer Austrittswelle liberal gesinnter Studentenverbindungen, die sich eine eindeutige Abgrenzung zu nationalsozialistischem Gedankengut wünschen. Und nun an der Gründung eines eigenen Dachverbandes arbeiten.
Die im DB verbliebenen Burschen bekommen zunehmend den Unmut der Zivilgesellschaft zu spüren. Heuer durften sie erstmals nicht in die Wartburg hinein. Die Veranstalter weigerten sich, der DB das historische Gelände zu vermieten - schließlich sei man "rechtsstaatlichen demokratischen Grundprinzipien verpflichtet".
Umso klarer positioniert sich der österreichische Verbandssprecher und "Zur Zeit"-Mitbegründer Walter Tributsch: "Am diesjährigen Burschentag in Eisenach verzeichnete die Deutsche Burschenschaft Zuwachs", vermeldete er erfreut in einer Aussendung. Und sieht "Unmut und Bedauern" bei einer Vielzahl von Mitgliedern bei den ausgetretenen Burschenschaften. Diese Enttäuschten würden sich nun in einem Verein "Freunde der Deutschen Burschenschaft" organisieren und um eine Rückkehr in den Verband bemühen. Die Deutsche Burschenschaft will den Verein und deren Sprecher, einen "Waffenbruder Korell", mit aller Macht unterstützen.
Ob der Zuwachs nennenswert wird, bleibt abzuwarten. Augenscheinlich hat sich die Mitgliederstärke im DB seit 2008 stark verringert. Wo früher Tausende die Fackeln trugen, werden nun zwischen zwei- und dreihundert Teilnehmer gezählt. In den letzten Jahren formierte sich ein nachhaltiger Widerstand gegen Rechts, der in den Burschenschaften, wie sie derzeit noch im DB vertreten sind, nichts anderes sieht als einen akademischen Brückenkopf des Rechtsextremismus.
Auch in Österreich öffnen sich den Korporierten nicht mehr selbstverständlich alle Türen: Im November 2013 kündigte etwa die Messegesellschaft Innsbruck den Nutzungsvertrag für die Halle. Wo immer die Burschenschafter sonst aufmarschieren, formieren sich Gegendemonstrationen. Und auch der WKR-Ball musste sich auf "Wiener Akademikerball" umtaufen, um in der Hofburg unterzukommen.
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