Keine Trennungsängste: Jobhopper werden im Kampf um die besten Köpfe zu einer immer größer werdenden Herausforderung für Unternehmen.
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Wien. Man nennt sie Jobhopper oder Jobnomaden. Trennungsängste kennen sie nicht. Ihre Väter und Mütter waren oft ihr ganzes Leben lang einer Firma treu, sie aber hüpfen oder ziehen alle paar Jahre weiter, wollen etwas Neues machen und schauen, wo sie ihre Fähigkeiten besser einbringen können.
"Die Wechselbereitschaft unter Erwerbstätigen, vor allem unter jungen Arbeitnehmern, ist deutlich höher als früher. Wir haben entsprechende Rückmeldungen von unseren Kunden und aus der Branche", sagt Thomas Olbrich, Chief Culture Officer von karriere.at, einem österreichischen Karriereportal für Fach- und Führungskräfte, auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Ein Grund dafür sei, dass die Digitalisierung und der damit einhergehende Fachkräftemangel für einen verstärkten Wettbewerb um die besten Köpfe sorgen würden.
Zudem sei die Transparenz deutlich gestiegen. Olbrich: "Potenzielle Kandidaten können im Internet heute interessante Jobs und die jeweiligen Arbeitgeber und ihre Vorzüge viel besser vergleichen als früher."
"Inspirierendes Büro, niemals Langeweile"
Auf Arbeitnehmerbewertungsplattformen gibt man sich gegenseitig anonyme Tipps. So findet sich etwa bei Kununu, nach eigenen Angaben derzeit mit über 3 Millionen Bewertungen zu mehr als 850.000 Unternehmen die größte dieser Plattformen in Europa, Kommentare wie: "Interessantes Umfeld, internationales Flair, aber traditioneller Führungsstil und kaum Entwicklungsmöglichkeiten", oder: "Spannende Aufgaben, dynamisches Umfeld, tolle Kollegen, inspirierendes Büro und niemals Langeweile."
Es wird über "Selbstdarsteller, Seilschaften und Sesselkleber" gelästert oder die gute Work-Life-Balance gelobt. Über Lebenszeitverschwendung geklagt oder dem netten Chef nachgeweint. Den diversen subjektiven Erfahrungsberichten können Wechselwillige nun Glauben schenken oder nicht: Ihre potenziellen Arbeitgeber sind auf jeden Fall transparenter geworden.
Die scheinbar höhere Wechselbereitschaft von jüngeren Generationen könne aber auch eine self-fulfilling-prophecy sein, meint Clemens Zierler, Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik an der Johannes Kepler Universität Linz. "Junge Menschen hören, dass ihre Generation angeblich häufiger den Beruf wechselt als frühere Generationen. Deshalb steigt der soziale Druck, dies dann tatsächlich auch zu tun", so Zierler.
Ungewollte Fluktuation kommt Firmen teuer zu stehen
Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen man es sich nicht erwartet hatte, überraschend gehen und dringend nachbesetzt werden müssen, kommt das die Unternehmen jedenfalls teuer zu stehen. In Betrieben bis zu 100 Mitarbeitern betragen die Fluktuationskosten rund 13.700 Euro pro Stelle, bei Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern sogar rund 17.200 Euro, hat das Beratungsunternehmen Deloitte errechnet. Neben dem Kostenfaktor wirke sich Fluktuation auch auf die Unternehmensaktivitäten negativ aus, die Kunden- und Serviceorientierung leide. Im IT-Bereich, wo die "Millennials" - die zwischen 1980 und 1999 Geborenen - den Erfolg maßgeblich mitbestimmen, würden beispielsweise vor allem laufende Digitalisierungsaktivitäten ausgebremst. Als häufigster Austrittsgrund wurde Unzufriedenheit mit der Führung genannt, gefolgt vom Thema Gehalt und mangelnden Aufstiegsmöglichkeiten.
Arbeitsforscher Clemens Zierler betont, dass Fluktuationsraten branchen- und unternehmensspezifisch sehr unterschiedlich seien. Es gebe durchaus auch Branchen und Unternehmen, in denen die Fluktuation quasi null sei. "Wer dort eine Lehre beginnt, geht auch in diesem Unternehmen in Pension", so Zierler.
Die Zugehörigkeit zu einer Generation habe weitaus geringeren Einfluss auf das Wechselverhalten von Arbeitnehmern als zum Beispiel die Lebensphase, in der sie sich aktuell befänden. Die Phasen des "Häuslich-Werdens", "Kinderkriegens" und damit auch der räumlichen und beruflichen Stabilität würden sich immer weiter nach hinten verschieben. Das beruhe auf neuen Werthaltungen, sich verändernden Geschlechterrollen und auf immer länger werdenden Bildungswegen. Das berufliche Wechselverhalten einer 40-jährigen Mutter eines 7-jährigen Kindes werde mit dem einer 25-jährigen Jung-Mutter eines 7-jährigen Kindes eher vergleichbar sein als mit einer 40-jährigen Frau ohne Kind, obwohl diese doch derselben Generation angehören würden.
Die Dynamik auf Österreichs Arbeitsmarkt zeigen die von der Statistik Austria erhobenen registerbasierten Erwerbsverläufe. Demnach wurden 2017 rund 1,7 Millionen unselbständige Beschäftigungsverhältnisse beendet. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe. 30,6 Prozent der beendeten Beschäftigungen führten in die Arbeitslosigkeit, 17,1 Prozent wieder in eine unselbständige Beschäftigung, 3 Prozent in eine selbständige Erwerbstätigkeit.
Laut Arbeitsmarktservice (AMS) gab es im vergangenen Jahr 512.000 Wechsel aus der Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit. Rund 6,3 Prozent davon - 32.356 Personen - sind Menschen, die sich nach einer Selbstkündigung beim AMS arbeitslos gemeldet haben. Vor zehn Jahren wurden 533.000 Wechsel von einer Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit registriert. 27.140 Personen (rund 5 Prozent) haben selber gekündigt und sich anschließend arbeitslos gemeldet.
Ungewollte Fluktuation tut weh, Mitarbeiter zu kündigen jedoch auch. Mitunter ist es unumgänglich, dass Unternehmen sich von Personal trennen müssen - eine unangenehme Aufgabe, vor der sich die meisten Chefitäten richtiggehend fürchten. Wird der Mitarbeiter beim Kündigungsgespräch in Tränen ausbrechen? Einen Wutanfall bekommen? Oder sich nichts anmerken lassen? So manche Führungskraft versucht, die Überbringung der Hiobsbotschaft an die Personalabteilung zu delegieren, die den Ball zurückspielt. "Keiner will es machen", sagt die Organisationsberaterin Karin Wurth.
In der US-Komödie "Up in the air" aus dem Jahr 2009 verkörpert George Clooney einen Unternehmensberater, der von Firmen engagiert wird, die nicht den Mumm dazu haben, ihre Angestellten selbst zu feuern. Clooney alias Bingham erklärt den soeben wegrationalisierten Angestellten durch die Blume und mit Zahnpastalächeln die positive Seite ihrer Kündigung. Frei nach dem Motto: Lassen Sie den Kopf nicht hängen, und machen Sie sich auf zu neuen Ufern. Eine zynische Haltung, die nicht für einen wertschätzenden Umgang des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern spricht. Eine Kündigung ist für die meisten Betroffenen ohnehin schon ein Schock, vergleichbar mit einer Trennung oder Scheidung. Auch wenn sie es vielleicht schon geahnt haben", so Wurth. Dazu komme das Gefühl der Kränkung, wenn der direkte Vorgesetzte für das Kündigungsgespräch die Personalabteilung oder eine andere unbekannte Führungskraft vorschicke.
"Wut und Enttäuschung kommen später"
Dem direkten Vorgesetzten, der den Mitarbeiter vielleicht schon länger kennt, bleibt es also nicht erspart, die Nachricht selbst zu überbringen. "Es sollte zwei Gespräche geben", empfiehlt Wurth. Beim ersten sollte - ohne um den heißen Brei herumzureden -, die Botschaft ("Wir müssen uns von Ihnen/von dir trennen") schnell und klar ausgesprochen werden. Im zweiten Gespräch können dann Rückfragen des Betroffenen beantwortet und die weiteren, praktischen Schritte vereinbart werden.
Wurth ist auch Hospiz- und Trauerbegleiterin und weiß, dass Kündigungen ähnliche Emotionen auslösen können wie Scheidungen oder Todesfälle. "Die erste Phase ist die des Verdrängens und Verleugnens. Das ist auch eine Art Schutzmechanismus." Vor allem Männer über 45, für die eine Kündigung ein massiver Statusverlust bedeute, würden zunächst in Schockstarre verfallen. "Die Leute wirken manchmal ganz vernünftig, doch das ist tückisch. Die Wut und die Enttäuschung kommen später." Es gehöre zu den Kompetenzen einer guten Führungskraft, damit umgehen zu können. Nicht hilfreich sei Mitleid. Daher, so Karin Wurth: "Nicht mitweinen. Das ist für den Betroffenen ganz schlimm."
Später sollte über das eigentliche Ende geredet werden. Die letzten Tage, die ein Mitarbeiter in seiner Firma verbringt, sollten nicht negativ besetzt sein. "Wichtig ist, dass man ein gutes Ende findet", betont Wurth.