"Da sich das österreichische System", analysiert Alois Guger, Wifo-Experte und Mitglied der mit 1. Oktober gesetzlich vorgeschriebenen Pensionskommission, "auf die Erhaltung des erreichten Lebensstandards konzentriert und vertikal nur mäßig umverteilt, ist es in der Armutsbekämpfung lückenhaft. Das ist in einer Zeit wachsender Individualisierung und der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse ein immer größer werdendes Problem."
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Emmerich Talos, Politikwissenschaftler an der Universität Wien und Pensionsexperte, kommt zum gleichen Schluss: " Die Zugangskanäle sind Erwerbstätigkeit und Ehe, sonst nichts. Frauen beispielsweise, die zumeist nicht kontinuierlich arbeiten und vielfach wenig verdienen, sind in diesem System schlecht versorgt. Im besonderen trifft dies Alleinerzieherinnen." Ausnahme ist die Pflegesicherung, die auf die Pflegebedürftigkeit abstellt.
Die SPÖ muss erst ihre Position finden
Weder die Sozialdemokraten noch die Arbeitnehmervertreter können dem Drei-Säulen-Pensionsmodell viel abgewinnen. Zwar hat Pensionsexperte Emmerich Talos ins SPÖ-Parteiprogramm 1989 eine Grundpension hineingeschrieben, die damalige Kanzlerpartei hat sich aber niemals konkret damit auseinandergesetzt. Die SPÖ muss erst jetzt ihre Position finden. Sozialsprecherin Heidrun Silhavy plädiert jedenfalls dafür, dass die Nettoersatzrate in der ersten Säule den Lebensstandard weiterhin sichern soll.
Aus frauenpolitischer Sicht will sie eher über eine "vernünftige Finanzierung der ersten Säule" nachgedacht wissen, da es gerade in Betrieben, wo vermehrt Frauen arbeiten, "keine Betriebspensionskassen gibt". Nach ihren persönlichen Vorstellungen sollen im Zusammenhang mit den Entwicklungen in der Technologie zusätzlich wertschöpfungsbezogene Elemente zur Finanzierung des Umlageverfahrens herangezogen werden, etwa Sozialabgaben auf Dienstleistungen. Außerdem soll so viel wie möglich personenbezogen sein. Silhavy: "Sonst geht es zu Lasten der Frauen."
Grundsicherung für alle
Das Pensionsmodell der Grünen - "fairteilen" - ist zweistufig konzipiert und basiert auf einer Grundsicherung für alle ab dem 19. Lebensjahr in Höhe von 6.000 Schilling plus 2.000 Schilling Wohngeld monatlich. Davon ausgehend ist das Pensionsmodell in zwei Stufen gegliedert. Stufe I ist die individuelle Grundsicherung ab einer einheitlichen Altersgrenze.
Alleinstehende erhalten 8.000 Schilling (14 mal jährlich, inklusive), zwei zusammen lebende Personen 12.000 Schilling. Sämtliche Solidarleistungen des bestehenden Systems - Ausgleichszulage, Präsenzdienst, Studien- beziehungsweise Kindererziehungszeiten - sind damit abgegolten. Voraussetzung ist eine allgemeine monatliche Pflichtversicherung von 200 Schilling für jede Person ab dem 19. bis zum 60. Lebensjahr. Das Pensionsantrittsalter ist für Frau und Mann gleich: 60 Jahre. Die Grundsicherung wird aufkommensneutral aus den derzeitigen diversen Bundeszuschüssen unter dem Titel Pension sowie aus den Einnahmen der Pflichtversicherung finanziert.
Versicherungspension
Stufe II ist die erwerbsabhängige Versicherungspension, die ebenfalls als Pflichtversicherung im Umlageverfahren konzipiert ist. Es gelten keine Mindestversicherungsjahre, keine Ersatzzeiten. Die Versicherungsbeiträge und -zeiten werden nach versicherungsmathematischen Kriterien zugeteilt. Die Summe der Gesamtleistungen aus Stufe I und II wird mit 32.000 Schilling pro Person begrenzt. Im Falle der Trennung einer Partnerschaft wird die Versicherungspension gesplittet: Die während der gemeinsamen Zeit erworbenen Ansprüche werden zwischen den Partnern geteilt. Dabei wird zu jeder Form des Zusammenlebens, ob Ehe, Lebensgemeinschaft, egal ob zwischen Frau und Mann oder gleichgeschlechtlich, eine neutrale Haltung eingenommen.
Alle bis zum Tag X erworbenen Ansprüche werden nach dem alten System berechnet, jene Ansprüche danach aliquot nach dem neuen System abgegolten.
Überbetriebliches Pensionskassenmodell
Als dritte Stufe sehen die Grünen ein überbetriebliches Pensionskassenmodell vor, gespeist von den Abfertigungen. Private Eigenvorsorge soll nicht begünstigt werden. Aus dem überbetrieblichen Fonds kann wahlweise Pension bezogen werden, Geld für den Konsum oder für Karenzzeiten (Kindererziehung, Weiterbildung etc.). Karl Öllinger, Sozialsprecher der Grünen: "Dabei muss man allerdings über die Veranlagungspolitik diskutieren. In der Schweiz wächst der Druck der Arbeitgeber auf die Kassen, immer mehr in Risikoveranlagungen zu gehen. Deren Argument:Je riskanter desto mehr kann man die Beiträge senken und umso grösser der Output."
Als Begründung für die Grundsicherung führen die Grünen die Veränderungen in der Arbeitswelt ins Treffen: Zunahme der Teilzeitjobs, Werkvertragsregelungen etc. Und im Unterschied zu den Modellen der anderen Parteien, so Öllinger, "wollen wir keine Anreize setzen, weil wir davon ausgehen, dass über Anreize nur bestimmte Gruppen stimuliert werden. Breite Anreize wiederum wären damit gegenzurechnen, was das an Steuerausfällen bedeutet."
Die Wirtschaftskammer Österreich hat für die zweite Säule ein eigenes Element ausgearbeitet, nämlich die Abfertigung-neu. Diese ist auch im schwarz-blauen Regierungsprogramm enthalten. Danach soll für bisher Beschäftigte das bestehende System weiterlaufen, für die Neuen hingegen die Abfertigung aus den Betrieben ausgelagert und in ein Pensionskassensystem übergeführt werden. Mittels Einzel- oder Betriebsvereinbarung soll allerdings auch für bestehende Arbeitsverhältnisse ein Umstieg möglich sein.
Zwei bis 2,5 Prozent des Bruttolohnes sollen die Arbeitgeber in den Fonds einzahlen. Maximale Einzahlungsdauer wäre 25 Jahre, längstens bis zum 45. Lebensjahr - damit die Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer sinken. Die ArbeitnehmerInnen können frei wählen, ob sie bei Kündigung die Abfertigung herausnehmen, nach Beendigung des Arbeitslebens den Betrag auf einmal oder als lebenslange Rente lukrieren. Anders als bisher wird es auch bei Selbstkündigung eine Abfertigung geben, in diesem Fall ist aber die Einmalauszahlung nicht möglich: Der Arbeitnehmer nimmt seine Ansprüche im Rucksack zum nächsten Arbeitgeber mit.
Anfallen sollen die Beiträge erst nach einem vollen Dienstjahr, derzeit entsteht der Anspruch auf Abfertigung erst nach drei Jahren. Die eingezahlten Abfertigungen werden auf dem Kapitalmarkt veranlagt, allerdings unter bestimmten Sicherheitskontrollen und mit Risikostreuung.
AK und ÖGB kritisch
Arbeiterkammer und Gewerkschaft stehen diesem Modell kritisch gegenüber. Sie wollen die Abfertigung nicht mit der Pensionsvorsorge verknüpft wissen. Der Leitende Sekretär im ÖGB, Richard Leutner: "Abfertigung ist Bestandteil des Lohnes." Weiters verlangen die Arbeitnehmervertreter eine Abfertigung für alle vom ersten Tag der Erwerbstätigkeit an. Immerhin werden derzeit rund 700.000 Menschen pro Jahr gekündigt, die kein ganzes Jahr Betriebszugehörigkeit haben. Sozialrechtler Emmerich Talos: "Diese Gruppe ist irrsinnig gewachsen."
Der Diskussionsprozess zwischen den Sozialpartnern wird noch im Herbst beginnen.