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Aufarbeitung des Wulff-Debakels

Von WZ Online

Europaarchiv

SPD rechnet mit der Linkspartei ab. | Berlin. Schadensbegrenzung ist die erste Aufgabe des designierten deutschen Bundespräsidenten: Nach seiner nervenaufreibenden Wahl will sich Christian Wulff vor seiner Vereidigung am Freitag mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) treffen. Auch mehrere ehemalige Bundestagspräsidenten sollen bei dem Gespräch dabei sein. | Interview mit dem Politologen Oscar W. Gabriel über die Krise der schwarz-gelben Koalition | Ein Dankeschön an die Konkurrenz | Wulff gewinnt, aber Merkel verliert | Ein katholischer Preuße


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Für die schwarz-gelbe Koalition beginnt zugleich die Aufarbeitung ihres Debakels vom Mittwoch. Ihr Kandidat Wulff war trotz rechnerischer Mehrheit erst im dritten Wahlgang gewählt worden. Mehrere Wahlleute der Koalition hatten ihm bis zum Schluss die Stimme verweigert und für den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, gestimmt.

Wulff erhielt am Ende mit 625 Stimmen doch noch die absolute Mehrheit. Schwarz-Gelb stellte aber 644 Wahlleute. Gauck kam im letzten Wahlgang, bei dem auch die einfache Mehrheit gereicht hätte, auf 494 Stimmen.

Wulff versprach, sich für die innere Einheit des Landes einsetzen. Mit Blick auf die drei Wahlgänge fügte er hinzu: "Aus Niederlagen habe ich eigentlich immer noch mehr gelernt als aus Siegen." Mit Blick auf den Verlauf der Wahl und seinen Gegenkandidaten Gauck bedankte sich Wulff für einen "sehr fairen Wettbewerb". Gauck forderte anschließend Politik und Bürger auf, stärker aufeinander zuzugehen.

Aus Sicht von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "kommt es jetzt darauf an, dass die Regierung ihre Arbeit macht". Sie rechne nicht damit, dass die Regierungsarbeit schwieriger werde, sagte sie nach Wulffs Wahl.

CSU-Chef Horst Seehofer mahnte aber eine stärkere Führung in der Koalition an. Union und FDP dürften nach dem Verlauf der Wahl nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren, forderte der bayerische Ministerpräsident im Fernsehsender Phoenix. Daher müsse Schluss sein mit "den abstrakten Diskussionen". Gefragt seien jetzt vielmehr Führung und Entscheidungen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstag) mit Blick auf die Zitterpartie: "Das ist eher eine Art Ausrufezeichen und die Aufforderung: Beschäftigt Euch mal mit Euren inneren Problemen!"

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wertete den Verlauf der Wahl als "verpasste Chance". Tillich kritisierte in Abendblatt.de, dass mehrere Abweichler unter den Wahlleuten von CDU, CSU und FDP Wulff mehrmals einen Denkzettel erteilt hatten. "Das ist kein gutes Ergebnis", sagte er. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wollte dagegen der schwierigen Wahl keine größere Bedeutung beimessen. "Auch andere Kandidaten sind erst im dritten Wahlgang gewählt worden, das wird auch dieses Mal nach kurzer Zeit kleine Rolle mehr spielen."

SPD rechnet mit der Linkspartei ab

Die Schuld für die Niederlage des rot-grünen Kandidaten gab SPD- Chef Sigmar Gabriel der Linkspartei, deren Wahlleute sich überwiegend enthalten hatten. Mit Blick auf deren Vorbehalte gegen Gauck als ersten Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde sagte Gabriel, sie habe sich nicht "von ihrem alten SED- und Stasi-Erbe" befreien können.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sagte der "Frankfurter Rundschau" (Donnerstag), er fühle sich in seiner Skepsis gegenüber der Linken bestätigt: "Ein Sieg im Hinterzimmer ist denen wichtiger als eine personelle Weichenstellung von größter Bedeutung für die Bundesrepublik."

In Hannover kommt am Donnerstag der Landtag zusammen, um den bisherigen CDU-Landtagsfraktionschef und niedersächsischen Parteivorsitzenden David McAllister zum Nachfolger Wulffs als Ministerpräsident zu wählen.