Region rund um das Schwarze Meer soll Westbalkan als Erfolgsstory nachfolgen. | Spindelegger: Rückendeckung für OMV-Deal mit Iran. | Neubelebung der Nachbarschaftspolitik. | "Wiener Zeitung":Wolfgang Schüssel bezeichnete 2001 die Neutralität - gemeinsam mit Mozartkugeln und Lippizanern - als Schablonen österreichischer Identität, die nicht mehr greifen würden. Wie steht es mit der Neutralität im Jahr 2008? | Michael Spindelegger: Schüssel hatte damals Recht. Ende der 90er gab es ein Window of Opportunity, um eine mögliche Nato-Mitgliedschaft anzudenken. Aber dieses Fenster hat sich wieder geschlossen. Für uns ist deshalb klar, dass wir bei der Neutralität bleiben - neutral nach außen, innerhalb Europas solidarisch.
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Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erfordert keine neuen Schritte Österreichs?
Ich sehe dafür momentan keinen Anlass. Auch die europäische Sicherheitsarchitektur ist ja noch nicht am Ende angekommen ist, das ist ein Prozess.
Und wenn dieser Prozess vollendet ist, wird sich Österreich dann von der Neutralität verabschieden?
Klar ist, dass man an einer gemeinsamen Verteidigung nur teilnehmen kann, wenn man nicht neutral ist. Wenn es soweit ist, müssten wir eine diesbezügliche Entscheidung fällen.
Über eine Volksabstimmung?
Das müsste dann entschieden werden. Das wird aber sicher nicht in dieser Legislaturperiode sein.
Verteidigungsminister Darabos hat sich für eine Verlängerung des österreichischen Tschad-Einsatzes ausgesprochen - Sie auch?
Das muss ich mit dem Verteidigungsminister noch eingehend besprechen: Haben wir die militärischen Kapazitäten für diese Mission? Bisher war der Balkan unser Schwerpunkt, diesen wollen wir beibehalten. Auch am Golan wollen wir weiter Friedenstruppen stellen. Die Antworten zum Tschad muss primär der Verteidigungsminister geben. Die zweite Frage ist, ob wir auch angefordert werden. Und schließlich die dritte, ob für unsere Soldatinnen und Soldaten die Sicherheit ausreichend gewährleistet ist. Ich weiß, dass wir hier unter gewissem Zeitdruck stehen. Deshalb werden wir uns sehr bald zusammensetzen.
Stichwort Europapolitik: In seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Faymann das europäische Bekenntnis hervorgehoben, von Kritik keine Spur. Hat Sie diese Rede in Bezug auf die EU-Linie der SPÖ beruhigt?
Es hat mich weder beruhigt noch überrascht. Der Bundeskanzler sagte genau das, was im Regierungsprogramm vereinbart wurde. Das ist eine gute Grundlage. Jetzt beginnt die konkrete Arbeit. Am Donnerstag fliegen wir beide gemeinsam zum Europäischen Rat.
Was wird sich ändern unter einem Außenminister Spindelegger?
Zunächst wenig, weil ich die bisherige außenpolitische Linie aus innerer Überzeugung fortsetze. Natürlich ergeben sich auch neue Schwerpunkte. Die erste große Aufgabe ist unser Sitz im UNO-Sicherheitsrat ab Jänner. An diese Aufgabe gehen wir mit einem gewissen Respekt heran. Schließlich geht es im höchsten UNO-Gremium auch um die Bewältigung von Krisen und schwierigen Situationen.
Haben Sie schon eine Prioritätenliste für den UNO-Sicherheitsrat aus österreichischer Perspektive erstellt?
Wir haben uns sämtliche Themen auf der Agenda angesehen: 60 Prozent der Sicherheitsrats-Agenda haben mit Afrika zu tun. Darauf müssen wir uns einstellen und unseren Fokus darauf ausrichten. Darüber hinaus wollen wir die zwei Jahre im Sicherheitsrat aktiv nutzen, um Wien wieder stärker als Drehscheibe des Friedens zu etablieren.
Und ihre weiteren Arbeitsschwerpunkte?
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist natürlich die EU-Skepsis in Österreich. Hier sollte der erste Schritt nicht in einer Informations- oder Werbekampagne bestehen, sondern in einer tiefschürfenden Analyse der Ursachen dieser Skepsis. Ich will diesen Ursachen auch durch persönliches Zuhören und Dialog in den Gemeinden auf den Grund gehen.
Das kann man als Kritik an ihren Vorgängern interpretieren, die ja relativ wenig die klassische politische Basisarbeit gemacht haben.
Das sehe ich nicht als Kritik. Ich bin ein Politiker, der auch die Basisarbeit in einem Wahlkreis gewohnt ist - und ich habe nicht vor, mich diesbezüglich zu ändern.
Die Finanzkrise hat die EU-Skepsis in Österreich zurückgedrängt. Wäre es da nicht günstiger, einmal die Welle zu reiten, solange sie trägt?
Jetzt schon von einer nachhaltigen Trendwende auszugehen, wäre falsch. Die EU-Skepsis der Österreicher geht tiefer. Da geht auch es um die Angst vor der Globalisierung, vor Liberalisierung und um Zukunftsängste.
Mittel-, Ost- und Südost-Europa sind von vitalem Interesse für Österreich - und der Rest der Welt?
Wir brauchen auch in der Außenpolitik wieder eine längerfristige Zielsetzung. Wir müssen erkunden, welche Regionen für uns besonders interessant sind. Das war in der Vergangenheit der Westbalkan und wird es auch bleiben. Einen neuen Zukunftsraum sehe ich in der Schwarzmeer-Region und den daran anschließenden Gebieten. Hier entwickelt sich etwas, was für uns sehr interessant werden kann. Jetzt müssen wir die Grundlagen dafür schaffen, dass wir hier stärker Fuß fassen können - damit dort eine ähnliche Erfolgsgeschichte möglich wird wie es der Westbalkan in den vergangenen Jahren war.
Zu dieser Region gehört im weiteren Sinne auch der Iran. Der geplante Erdgas-Deal der OMV mit dem Regime in Teheran stößt auf harsche Kritik in den USA. Werden Sie den Amerikanern erklären, dass dieses Geschäft im nationalen Interesse Österreichs ist?
Das ist ein langfristiges Projekt. Bei diesem Vorhaben der OMV im Iran müssen wir sicher auch die Kritik, die es gibt, ernst nehmen.
Trotzdem: Werden Sie die OMV politisch unterstützen?
Das ist natürlich eine Gratwanderung. Ich glaube aber, dass sich die OMV der Sensibilität dieses Themas durchaus bewusst ist.
Das zentrale Land der Schwarzmeer-Region ist die Türkei. Bisher hat Österreich diese aus europapolitischer Perspektive sehr skeptisch beurteilt. Vollziehen Sie nun einen Kurswechsel?
Nein. Die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU sind ein eigenes Kapitel. Für sie gelten klare und enge Rahmenbedingungen, außerdem sind es Verhandlungen mit eingebauter Stopptaste. Österreich hat immer auch die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass es eine eigene Form der Partnerschaft zwischen EU und Türkei geben sollte. Aber: Die Entscheidung über einen EU-Beitritt der Türkei steht ganz sicher nicht in dieser Legislaturperiode an. Wir sind in einem langen Prozess, dessen Ausgang niemand mit Gewissheit vorhersagen kann.
Aber wenn diese Region für uns so wichtig werden soll, wäre es doch nur logisch, Österreich würde sich zum Befürworter eines EU-Beitritts machen - genau so wie es auch bei den Ländern des Westbalkans geschieht.
Ich sehe keinen notwendigen Zusammenhang zwischen einer stärkeren Konzentration auf die Region rund um das Schwarze Meer und der Frage eines türkischen Beitritts. Es geht darum, Räume zu definieren, in denen wir in Zukunft überzeugend auftreten können - wirtschaftlich, kulturell und politisch.
Die einst angestrebte strategische Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn ist gescheitert. Stattdessen dominieren Konflikte über Bundesheer-Soldaten an der Grenze, AKW´s, zweisprachige Ortstafeln oder verschmutzte Flüsse die Beziehungen.
Ich sehe es nicht so. Dieses Vorhaben ist nicht gescheitet. Es wächst vielleicht langsamer, als mancher es erwartet, erhofft hat. Mitteleuropa muss in Europa einen wesentlichen Schwerpunkt bilden. Dazu müssen wir die Nachbarschaftspolitik weiter verstärken.
Was schätzen Sie am künftigen US-Präsidenten Barack Obama?
Vor allem, dass es ihm gelungen ist, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, ein Gefühl der Hoffnung zu verbreiten. Das zeichnet ihn aus. Ebenso seine Wahlkampfleistung. Er hat unter anderem das Internet in völlig neuer Form erfolgreich eingesetzt. Das müssen wir uns genau anschauen, weil jede erfolgreiche Entwicklung in den USA auch für uns in Europa interessant sein kann.
Zur Person
Am 2. Dezember wurde der niederösterreichische ÖVP-Politiker Michael Spindeleggerzum Bundesminister für Europäische und Internationale Angelegenheiten angelobt. Der gebürtige Mödlinger Jahrgang 1959 war langjähriger außenpolitischer Sprecher und zuletzt Zweiter Nationalratspräsident. Spindelegger ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.