Noch gut sieben Wochen, dann wird in Italien gewählt. Parteien und Bündnisse buhlen mit Versprechen um die Gunst der Wähler. Stabilität ist jedoch nicht zu erwarten.
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Florenz. (ce) Italien zeigt sich dieser Tage politisch aufgelöster denn je. Seit Staatspräsident Sergio Mattarella Ende des vergangenen Jahres das italienische Parlament aufgelöst und den Weg zu den turnusgemäßen Wahlen freigemacht hat, sind Italiens Parteien hektisch auf Wählerfang. Bis dato herrscht vor allem eines: das Chaos.
Mitte-Rechts etwa ist um ein geeintes Bündnis bemüht, doch die Interessenslagen drohen ständig auseinanderzudriften. Mitte-Links hat sich ebenfalls deutlich gespalten. Es ist Ex-Premier Matteo Renzis "Verdienst", den linken Flügel der von ihm geführten Demokratischen Partei (Pd) derart vor den Kopf gestoßen zu haben, dass sich eine erhebliche Gruppe absentiert hat und die neue Bewegung "Frei und gleich" (LeU) unter Führung des derzeitigen Senatspräsidenten Pietro Grasso ins Leben gerufen wurde.
5 Sterne zeigt sich kaum regierungsfähig
Die Bewegung 5 Sterne (M5S) des Kabarettisten Beppe Grillo zeigt sich unterdessen in weiten Teilen gestaltlos. Virginia Raggi, mit viel Lorbeer gewählte erste Bürgermeisterin Roms, kämpft mit den Unzulänglichkeiten ihrer Administration und Korruptionsvorwürfen, die sie eigentlich beseitigen wollte. Die Hauptstadt steht wieder einmal vor einem riesigen Müllproblem, und keine Region des Landes will helfen. Rom steht stellvertretend für M5S: Die Bewegung stellt hohe Anforderungen, demonstriert in die Pflicht genommen jedoch kaum Regierungsfähigkeit.
Die politischen Führer des Landes werfen überall Köder aus, um das Wahlvolk zu gewinnen. Lega-Chef Matteo Salvini, der sehr stark mit dem Amt des Ministerpräsidenten liebäugelt, verspricht die Fornero-Reformen zu annullieren. In der Regierung Mario Montis hatte Arbeitsministerin Elsa Fornero die Renten gekürzt und das Rentenalter in Italien angehoben. Des Weiteren will Salvini die gerade eingeführte Impfpflicht wieder abschaffen.
LeU-Vorsitzender Grasso plädiert für die Abschaffung von Studiengebühren, um soziale Gerechtigkeit beim Zugang zu Hochschulen zu gewähren. Renzi, im Rennen auf die Rückkehr an die Regierungsspitze, verspricht Mindestlohn und mehr Arbeitsplätze. M5S-Kandidat Luca Di Maio denkt nun darüber nach, den euroskeptischen Kurs der Bewegung vorerst auszusetzen.
Italiener nehmen ihrePolitiker nicht mehr ernst
Die sozialen Medien reagieren mit Spott. Unter dem Hashtag
AbolisciQualcosa (Schaff etwas ab) gehen Vorschläge ein, wie, alle Hustenden aus Kinos und Theatern zu verbannen, Talkshows zu eliminieren, das Festival San Remo abzuschaffen oder das Tragen von offenen Sandalen zu verbieten. Das Volk nimmt die Politiker nicht mehr ernst - dies dürfte das Hauptproblem bei den Wahlen am 4. März werden.
Politisch befindet sich Italien im Dauerpatt. Die Populisten der 5 Sterne rangieren nach wie vor zwischen 28 und 30 Prozent. Die neu geschaffene Mitte-rechts-Koalition - wieder einmal deutlich dominiert vom Willen des "Bunga-Bunga-Königs" Silvio Berlusconis - erreicht immerhin 35 Prozent, doch nicht eine erforderliche Mehrheit, um regieren zu können. Nach Abspaltung des linken Flügels dümpelt Renzis Pd bei 24 Prozent dahin und kann sich damit eigentlich aller Träume von der Regierungsbank entledigen. Prominente Politiker wie Romano Prodi oder Walter Veltroni beschwören daher die Linke, zur Einigkeit zurückzufinden. Ex-Pd-Chef Pierluigi Bersani (heute LeU) deutet immerhin Gesprächsbereitschaft an, doch ob Renzi über den eigenen Schatten springen kann, ist zweifelhaft.
So könnte es nach dem 4. März darauf hinauslaufen, dass Präsident Mattarella den amtierenden Regierungschef Paolo Gentiloni mit der Führung einer technischen Regierung beauftragen könnte. Das kommt völlig ungeplant, denn Gentiloni hatte eigentlich schon ein Ende seiner Aktivität angekündigt.