Zum Hauptinhalt springen

Aufklärer mit Gegenwind

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Finanzvorstand Pötsch soll neuer VW-Aufsichtsratschef werden. Weil der Österreicher zum Führungszirkel gehörte, sehen viele in ihm den Falschen für die Aufarbeitung des Abgas-Skandals.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wolfsburg. Auf dem Papier passt alles gut zusammen. Zwölf Jahre in Wolfsburg haben Hans Dieter Pötsch zu einem ausgewiesenen Kenner der Branche gemacht, von seinem Umfeld wird der hochgeschossene Manager als ruhiger und zurückhaltender Charakter mit Teamgeist beschrieben. Und der bisherige Finanzvorstand des Volkswagen-Konzerns kann gut mit Geld umgehen - seine konservative Liquiditätssteuerung war die Basis dafür, dass sich der größte Autobauer Europas trotz der umfangreichen Einkaufstouren der vergangenen Jahre einen üppigen Finanzpolster bewahren konnte.

Doch die formal besten Voraussetzungen für den Wechsel an die Spitze des VW-Aufsichtsrats haben den 64-jährigen Pötsch nicht davor bewahren können, dass viele in ihm den falschen Mann zur falschen Zeit sehen. Vor allem das starke Arbeitnehmerlager innerhalb der VW-Konzerns sieht in der für Mittwoch geplante Betätigung der Personalie durch den Aufsichtsrat nicht jenes Signal, das im immer weitere Kreise ziehenden Abgas-Skandal nun notwendig wäre. Das Murren war dabei so groß gewesen, dass sich die beiden VW-Eigentümer-Familien Porsche und Piech bereits in der vergangenen Woche dazu genötigt sahen, ihrem Wunschkandidaten demonstrativ den Rücken zu stärken.

Kritik schlägt Pötsch, der ebenso wie der ehemalige VW-Patriarch Ferdinand Piech aus Österreich stammt, vor allem wegen seiner Zugehörigkeit zum engsten Machtzirkel entgegen. Der Wirtschaftsingenieur aus Traun saß nicht nur zwölf Jahre im Volkswagen-Vorstand, er war auch ein enger Vertrauter des wegen des Abgasskandals zurückgetretenen Vorstandschefs Martin Winterkorn. Pötsch sei Mitwisser und bei allen Entscheidungen involviert gewesen, sagte Hans-Christoph Hirt, Direktor des Fonds Hermes, unlängst gegenüber dem "Handelsblatt". Selbst im Aufsichtratspräsidium - dort ist neben den Eigentümerfamilien und der Arbeiternehmerseite auch das Land Niedersachsen vertreten - sollen Zweifel aufgekommen sein, ob Pötsch ohne Vorbehalte aufklären kann, was seine engsten Kollegen über die Manipulation von Abgaswerten bei elf Millionen Fahrzeugen gewusst haben.

Zu spät informiert?

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer hält Pötsch auch noch aus einem Grund für "nicht tragbar" als Aufsichtsratschef. Denn eigentlich müssen börsennotierte Unternehmen ihre Aktionäre über kursrelevante Ereignisse wie die schweren Manipulationsvorwürfe der US-Umweltbehörde EPA in Kenntnis setzen. Pötsch habe aber als Finanzvorstand die Anleger nicht gewarnt, "selbst als das Schreiben der US-Umweltbehörde EPA bereits tagelang im Internet stand", sagt Dudenhöffer. Wenn VW nun Klagen von sich geschädigt fühlenden Aktionären bekomme, dann sei Pötsch dafür verantwortlich. Um welche Summen es dabei gehen könnte, zeigt allein schon ein Blick auf die Aktienkurse. Am 18. September, also jenem Tag, an dem die EPA die Abgasmanipulationen publik machte, lagen die VW-Papiere noch bei mehr als 160 Euro. Derzeit notiert die Aktie bei 95 Euro.

Ob im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen Informationspflichten verletzt wurden, werden letztendlich die Gerichte klären müssen. Fast noch wichtiger wird aber wohl ein Urteil sein, das Kunden, Aufsichtsbehörden und Börsen gemeinsam fällen werden. Denn für Volkswagen geht es vor allem auch darum, ob unter der Führung des neuen Chefaufsehers eine umfassende Aufarbeitung des Skandals gelingt und der ehemals gute Ruf der Marke wiederhergestellt werden kann. Die Deutsche Bank hatte nach einem ähnlich gelagerten Fall einen Kandidaten von außen geholt, Pötsch steht hingegen bei VW für das alte System. Auch deshalb halten ihn seine Kritiker trotz unbestreitbarer Verdienste für den falschen Mann zur falschen Zeit. Um das Vertrauen wiederherzustellen, wäre ein radikaler Schnitt und die Besetzung mit einem externen Kandidaten die bessere Wahl, sagt Daniel Bauer, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.