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Die Ereignisse rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sind hochgradig aufklärungsbedürftig. Kein Geringerer als der Bundespräsident nennt die Vorgänge "höchst ungewöhnlich und irritierend", weshalb Alexander Van der Bellen sich von den zuständigen Stellen "eine rasche und vollständige Aufklärung"
erwartet.
Dieses Recht gilt nicht nur für die obersten Staatsorgane, sondern auch für die Bürger. Und zwar je schneller und umfassender, desto besser. Im Raum steht der Verdacht auf Amtsmissbrauch. Allein die theoretische Möglichkeit, dass hier politische Gruppen und Grüppchen um die Lufthoheit über die geheimsten Staatsangelegenheiten wetteifern, ist unerträglich für die Republik.
Auf dem Spiel stehen eminente staatspolitische Interessen. Nach innen geht es um das Grundvertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaats auch in Bereichen, die gemeinhin im Dunkeln, jedenfalls aber abseits der Öffentlichkeit ihre Arbeit verrichten. Umso mehr müssen die Bürger darauf vertrauen können, dass Gesetze eingehalten werden und die juristischen wie politischen Kontrollmechanismen funktionieren. Dieses Grundvertrauen sicherzustellen, gehört zu den Kernaufgaben jeder Regierung.
Dass die ersten, gerüchteschwangeren Berichte zu den Vorgängen eine politische Schlagrichtung in den Raum stellen, zeigt überdeutlich, dass die türkis-blaue Koalition mit einem Misstrauensvorschuss leben muss. Insbesondere die FPÖ, die nunmehr die Ministerien für Inneres und Verteidigung führt, zu denen auch die Nachrichtendienste ressortieren, steht dabei unter besonderer Beobachtung einer kritischen Öffentlichkeit.
Stand Freitag gibt es viele offene Fragen rund um die Hintergründe für die Vorgänge im BVT, aber nur wenige gesicherte Antworten. Das verleitet Verschwörungstheoretiker, und solche gibt es nicht nur in den Reihen der Rechtspopulisten, zu wilden Vermutungen über einen von der FPÖ gesteuerten Plan zur Übernahme der Geheimdienste. Und darüber hinaus.
Wer in allen Richtungen nach den Fakten sucht, erhält ein bunt durcheinander gewürfeltes Sammelsurium aus unterschiedlichen Einschätzungen und Darstellungen. Wie so oft bestimmt der Standort den Standpunkt. Ein klares Bild lässt sich daraus zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht destillieren.
Sicher ist jedoch, dass die Causa Folgen haben wird. Unabhängig von den konkreten Ergebnissen der Ermittlungen in Sachen Amtsmissbrauch leiden das Ansehen der Republik und die Vertrauenswürdigkeit ihrer Nachrichtendienste. Und Vertrauen ist in dieser Branche die härteste Währung. Viele sagen sogar: die einzige.