Registrierung als Pflicht für das Geschäft in der EU. | Regeln im Fall von Interessens- konflikten strenger. | Brüssel. Den Ratingagenturen wird eine wesentliche Mitschuld an der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise gegeben, weil sie offensichtlich Risken von Finanzprodukten unterschätzt haben. Milliardenschwere Rettungsprogramme sind nötig, damit Papiere von Lehman Brothers und Co nicht große europäische Banken in den Abgrund reißen. Damit das in Zukunft nicht mehr passiert, will Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy die Tätigkeit der Ratingagenturen in der EU streng regulieren, wie aus dem Entwurf einer EU-Verordnung hervorgeht, die heute, Mittwoch, vorgestellt wird.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Eine große Mehrheit der verheerenden Subprime-Produkte hatte Top-Ratings erhalten, erinnern McCreevys Beamte in ihrem Begleittext. Internationale Agenturen wie Moody´s und Standard & Poor´s stellten die Freibriefe aus. Selbst als die Marktbedingungen sich klar verschlechterten, wurden die Ratings nicht revidiert. Die ganze Welt fiel darauf herein. Ein freiwilliger Verhaltenskodex der Internationalen Organisation der Wertpapieraufseher (Iosco) habe sich daher nicht als adäquate und verlässliche Lösung erwiesen, so die Kommission. Der Kodex sei zwar der weltweite Maßstab, verfüge aber über keine Sanktionsmechanismen.
Bessere Überwachung
Daher stelle der neue EU-Vorschlag "ein rechtlich verbindliches Registrierungs- und Überwachungssystem vor", heißt es in den Texten, die der "Wiener Zeitung" vorliegen. So müssten sich alle in der EU tätigen Ratingagenturen beim Ausschuss der Europäischen Wertpapieraufseher (CESR) in Paris eintragen lassen. Dort wären dann die Leistungen der Agenturen nach standardisierten Datensätzen EU-weit vergleichbar. Jährlich müsste jede von ihnen zahlreiche Informationen wie ihre 20 größten Kunden, die Eigentümerstrukturen und einen Tätigkeitsbericht inklusive Treffsicherheit der Ratings veröffentlichen.
Bewertungen von Agenturen, die nicht registriert sind, dürften von den Banken, Versicherungen, Pensions- und Investmentfonds sowie sonstigen Finanzinstituten in der EU nicht mehr herangezogen werden. Die nationalen Behörden wären für die laufende Überwachung der mit der Registrierung übernommenen Pflichten und der Sanktionierung von Verstößen zuständig.
Neben der neuen Transparenz sind strikte Regeln gegen Interessenskonflikte vorgesehen: Ein Rotationssystem müsse eingeführt werden, sodass keiner länger als vier Jahre die Kreditwürdigkeit desselben Unternehmens prüft. Unzulässig wären auch Bewertungen, die ein Prüfer ausgestellt hat, der direkt oder indirekt Wertpapiere des Kunden besitzt. Die Agenturen müssten ihre Dienstleistungen auf das Rating beschränken und keine darüber hinaus gehenden Beratungstätigkeiten anbieten. In den Aufsichtsräten müsse eine gewisse Anzahl unabhängiger Mitglieder vertreten sein.
Um den Finanzmarktakteuren die Bewertungen von Produkten nachvollziehbar zu machen, müssten die Agenturen auch die Methodik und die Annahmen offenlegen, die dazu geführt haben - je komplexer die Konstrukte, desto detaillierter die Aufschlüsselung. Und zu guter Letzt wird die regelmäßige Aktualisierung der Ratings verlangt.