Besorgte Gesichter beim Maiaufmarsch.
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"Das war eine Abschiedsveranstaltung." Selten sah man am Festtag der Sozialdemokratie so viele besorgte Gesichter, hörte so viele besorgte Befunde über den Zustand der SPÖ, die sich am 1. Mai auf dem Rathausplatz tief gespalten präsentierte – und zahlenmäßig doch deutlich unter dem gewohnten Niveau. "Der Ring fast war leer", sagt ein Marschierer regelrecht schockiert. Kopfschütteln da und dort. Über Werner, der Kurs stimmt-Tafeln, die offenbar zu Hunderten in Sektionen geschickt wurden, über Funktionäre, die kritische #Team Haltung-Pickerl , nun ja, wegmoderierten, um es euphemistisch zu formulieren.
Am 1. Mai haben Proteste aller Art grundsätzlich Tradition. Sie kommen von Verbänden einzelner Berufsgruppen genauso wie von Sektionen, die spezifische oder regionale Anliegen einmahnen. Und auch die Parteispitze wird fast jedes Jahr mit Protesten konfrontiert, in erster Linie von der Sozialistischen Jugend. Das gehört dazu. Diesmal war es anders. Die Proteste kamen nicht mehr nur von der SJ und sie waren heftig, ein lautes Pfeif- und Buh-Konzert während der Rede Faymanns. Zur Überraschung aller war sie als erste des Tages angesetzt worden, das ist unüblich. Es könnte ein Versuch gewesen sein, die Organisatoren der erwarteten Proteste auf dem falschen Fuß zu erwischen. Hat nicht wirklich funktioniert.
Schon die vorgedruckten rot-weiß-roten Tafeln mit Werner, der Kurs stimmt-Durchhalteparolen waren wohl als Antwort auf die antizipierten kritischen Transparente gedacht. Dabei waren beim Aufmarsch selbst kaum Banner gegen die Parteispitze zu sehen außer den üblichen von Jugendorganisationen. Die kritische Sektion 8 bat etwa auf ihrem Transparent um eine Stimme für Alexander Van der Bellen bei der Stichwahl - übrigens wie auch Bürgermeister Michael Häupl in seiner Rede.
Die vielen Werner-Tafeln waren kontraproduktiv, da sie die zwei Fronten innerhalb der SPÖ so sichtbar machten - die mit den Tafeln und die ohne. Zweitens haben Fotos mit akkordierten Treuebekundungen für einen Parteichef schon etwas Skurriles. Die lautstarken Protest gab's erst bei Faymanns Rede. Und dann noch einmal bei jener von Gewerkschaftschef Erich Foglar, der in Interviews über eine neue Art der Gesprächsbasis mit der FPÖ nachgedacht hatte.
Faymann erhielt aber auch durchaus Applaus, zumindest wenn man sich von der Bühne etwas nach hinten bewegte, dort wo jene standen, die schon sehr viele Mai-Aufmärsche erlebt haben. Auch hier: Kopfschütteln, allerdings über die Proteste, die vielen Pfiffe. Kopfschütteln auch über die Situation, in der die SPÖ geschlittert ist: tief gespalten und ohne Plan, wie die beiden Seiten wieder zueinanderfinden können.
Bilderstrecke: Der 1. Mai