Iranische Kriegsschiffe, saudische Luftschläge, US-amerikanische Waffenlieferungen. Drohungen auf allen Seiten.
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Sanaa. Während sich die schiitischen Huthi-Rebellen durch nichts aufhalten lassen, greifen ausländische Mächte immer offensichtlicher in die Kämpfe im Jemen ein. Saudi-Arabien fliegt schon seit Ende März Luftangriffe gegen die Rebellen, doch diese haben bis dato keine Wirkung gehabt. Jetzt zeigt der Erzfeind der Saudis, der Iran, erstmals ganz offen militärische Präsenz: Teheran hat zwei Kriegsschiffe vor die umkämpfte Hafenstadt Aden entsandt. Offiziell sollen der Zerstörer "Alborz" und das Versorgungsschiff "Busher" zur Abwehr von Piraten eingesetzt werden. Doch in Wirklichkeit geht es darum, Flagge zu zeigen und den Einfluss Teherans im Jemen zu unterstreichen.
USA in der Offensive
Auf der anderen Seite haben die USA damit begonnen, saudische Flieger auf dem Weg in den Einsatz aus der Luft zu betanken. Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums legt immerhin Wert darauf, dass das nicht über jemenitischem Gebiet geschieht. Seit 16 Tagen fliegen saudische Kampfjets Angriffe im ganzen Jemen, es hat bereits zahlreiche zivile Opfer gegeben.
Eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an. Laut WHO sind 600.000 Menschen auf der Flucht, 643 Menschen sollen bei den Bombardements ums Leben gekommen sein. Der Jemen leidet seit langem unter akutem Wassermangel, das meiste wird für den lukrativen Anbau der überall präsenten Droge Kat gebraucht. Der Bürgerkrieg verschärft den Mangel dramatisch. Die Spitäler sind überfüllt, es gibt kaum Medikamente. Die ersten Hilfstransporte des Roten Kreuzes erreichen erst jetzt das Land.
Dass im Armenhaus am Südrand der Arabischen Halbinsel ein Stellvertreter-Krieg auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen wird, ist allen klar. Die USA haben die Waffenlieferung an die arabische Militärkoalition mit Saudi-Arabien an der Spitze beschleunigt. Dabei handelt es sich zunächst um "Präzisionsmunition". Washington hat zudem eine Planungszelle im saudischen Oberkommando eingerichtet. Auf der anderen Seite unterstützt die Regierung in Teheran die schiitischen Huthis seit langem mit Waffen - aus dem operativen Bereich hält sich der Iran, anders als in Syrien, noch heraus.
Ein direktes Eingreifen des Mullah-Staates war bis jetzt auch gar nicht nötig. Gestern, Donnerstag, eroberten Huthi-Milizen die Stadt Atak inklusive der umliegenden Ölfelder. Mit Leichtigkeit und ohne große Verluste, wie es scheint. Denn die Sicherheitskräfte in der Gegend unterstehen nicht dem nach Saudi-Arabien geflohenen Präsidenten Abd-Rabbu Mansur Hadi, sondern vielmehr seinem Vorgänger, Ali Abdullah Saleh, der in der Folge des Arabischen Frühlings zum Rücktritt gezwungen worden war und unverdrossen an seinem politischen Comeback arbeitet. Dazu ist Saleh, selbst Schiit, ein Bündnis mit den Huthis eingegangen.
Riskante Invasion
Den Saudis ist längst klar, dass Luftschläge nicht ausreichen, um die jemenitischen Rebellen zum Rückzug zu zwingen. Das Königreich hat zwar 150.000 Soldaten in Alarmbereitschaft, ist aber selber (noch) nicht zum Einmarsch bereit. Deshalb hat Riad bei Ägypten und Pakistan um Bodentruppen angesucht. Riad hat damit vor allem Ägyptens Machthaber Abdel Fattah al-Sisi in große Verlegenheit gebracht - immerhin haben die Saudis Ägypten zuletzt mit Milliarden-Hilfen vor dem drohenden Staatsbankrott gerettet. Pakistan, das eine lange gemeinsame Grenze mit dem Iran hat, hat das Ansinnen der Saudis bereits abgelehnt. Es wäre zu gefährlich, den Nachbarn zusätzlich zu reizen. Zudem gilt der Jemen als Friedhof für Okkupanten - das mussten die Türken im 19. Jahrhundert und die Ägypter in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts leidvoll erfahren.
Auf diplomatischer Ebene spitzt sich der Konflikt ebenfalls zu. Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Khamenei, meinte am Donnerstag, die Bombardements der saudisch geführten Militärallianz hätten unschuldige Zivilisten getötet und kämen einem "Genozid" gleich. Die "saudische Aggression" sei ein "Fehler" gewesen, so Khamenei. Der moderate iranische Präsident Hassan Rohani warnte die USA, nicht die gleichen Fehler wie in Syrien zu machen. "Ihr habt eure Fehler in Syrien eingesehen, das werdet ihr demnächst auch im Jemen einsehen", so Rohani. Der Jemen werde sich nicht durch Bombardements unterwerfen lassen.
Atom-Streit als neue Waffe
Mit dem Iran und den USA gehen zwei Mächte auf Konfrontationskurs, die auf einem anderen Schauplatz intensiv um einen Kompromiss ringen. So ist man im Atom-Streit zuletzt einer endgültigen Einigung näher gekommen. Gelöst ist der Streit um den Bau einer iranischen Atombombe freilich nicht. Und durch den Jemen-Konflikt verschlechtert sich das Klima zwischen Washington und Teheran wieder. Am Donnerstag meinte US-Außenminister John Kerry, man werde "nicht dabei zusehen", wie der Iran die Huthi-Rebellen unterstütze. "Jede Woche" kämen Flugzeuge aus dem Iran in den Jemen: "Wir wissen das."
Auch die USA haben großes Interesse am Jemen. Im Schatten des Bürgerkrieges und einer fehlenden zentralen Staatsmacht erstarkt die Al-Kaida, die im Osten des Landes ihre Stützpunkte hat und weite Territorien kontrolliert. Gleichzeitig setzt sich die Gruppe Islamischer Staat langsam im Jemen fest. Ob IS in Konkurrenz zu Al-Kaida tritt oder eine Koexistenz anstrebt, ist nicht klar.
Die USA bekämpfen die Al-Kaida mit Drohnen, haben den Vormarsch - wie jetzt die Saudis im Fall der Huthi-Rebellen - aber nicht stoppen können.