New York - Die Rettungsarbeiter am Ground Zero in New York nannten den Trümmerberg schlicht "Haufen". Sechs Monate später sind die Räumarbeiten in Manhattan so weit fortgeschritten, dass aus dem "Haufen" ein "Graben" geworden ist. Dort, wo sich nach dem 11. September ein Berg aus Eisen und Beton auftürmte, tut sich heute riesiges, mehrere hundert Meter breites Loch auf. Im Inneren arbeiten Tag und Nacht Hunderte von Menschen.
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Mit 95.000 Lastwagenladungen wurden bereits 1,4 Millionen Tonnen Schutt abtransportiert, 83 Prozent des gesamten Volumens. Von 742 Toten wurden bisher die sterblichen Überreste gefunden, die Gesamtzahl der Opfer beläuft sich nach der letzten Schätzung auf 2.830. "Die Bergung der Überreste der Opfer bleibt unser wichtigstes Ziel", versichert Bauamtssprecher Matt Monahan. Um dieses zu erreichen, wechseln sich 400 Feuerwehrleute rund um die Uhr ab. Ihre Aufgabe besteht darin, mit Ferngläsern oder mit dem bloßen Auge die Räumarbeiten zu überwachen.
Wenn sie ein Kleidungsstück sehen oder einen verdächtigen Geruch wahrnehmen, halten die Feuerwehrleute alle Arbeiten unverzüglich an. Mit der Hand und einfachem Werkzeug ziehen sie die Leichen aus den Trümmern. Eingehüllt in eine US-Flagge werden sie abtransportiert, während die Arbeiter mit ihren blauen Uniformen in zwei Reihen Spalier stehen. Wenn nichts mehr an der Leiche Rückschlüsse auf die Identität erlaubt, wird das Gewebe mit DNA-Proben von Angehörigen der Vermissten verglichen.
Die Arbeiten gehen schneller voran als erwartet. "Wir haben immer mit neun bis zwölf Monaten gerechnet und sind zuversichtlich, dass wir im Juni fertig sind", sagt Monahan. "Wenn das Wetter gut bleibt, könnte es sogar noch früher klappen." Seit kurzem führt eine große Metallrampe auf das Gelände von Ground Zero, um Lastwagen die Zufahrt zu erleichtern. Seitdem werden nicht nur Tausende von Kubikmetern Schutt in kurzer Zeit abtransportiert, auch die Zahl der makabren Leichenfunde hat sich erhöht. Gleichzeitig gehen offizielle Stellen davon aus, dass in der großen Hitze viele Opfer ohne Rückstände verbrannt sind und niemals wiedergefunden werden.
Während das Ende der Räumarbeiten naht, ist die Frage des Wiederaufbaus noch lange nicht geklärt. 1972 ließ die Hafenverwaltung von New York und New Jersey die Türme bauen, im Juli vergangenen Jahres aber schloss sie mit einem privaten Bauträger einen 99 Jahre gültigen Vertrag ab, der diesem auch das Recht zu einem Wiederaufbau gibt.
Die Anrainer werden ebenfalls ein Wörtchen mitreden, vor allem aber erheben die Angehörigen der Opfer ihre Stimme. Einige von ihnen fordern eine Gedenkstätte auf dem gesamten Gelände. "Die Planung berücksichtigt sowohl das Bedürfnis nach einer geeigneten Gedenkstätte als auch die Notwendigkeit des Wiederaufbaus für diejenigen, die überlebt haben", versichert Bürgermeister Michael Bloomberg.
Als Lichtskulpturen werden die Türme des World Trade Centers ab heute, Montag, einige Zeit wieder zu sehen sein. Auf den Tag genau sechs Monate nach den Attentaten werden 88 Projektoren, jeder mit einem Strahler mit 7000 Watt ausgestattet, die Silhouette der Zwillingstürme in den nächtlichen Himmel über New York werfen. 32 Tage soll die Lichtskulptur jeden Abend bis 23 Uhr zu sehen sein.