2022 verschonte uns nicht mit Skandalen. Einige begleiten uns ins nächste Jahr.
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Für die ÖVP war es - wieder einmal - kein sonderlich gutes Jahr. Schon 2021 prägten Ermittlungen, Vorwürfe und Rücktritte das politische Geschehen der Türkisen. Nach mehrmaligen Kanzlerrochaden lag es an Karl Nehammer, die Volkspartei und Bundesregierung in ruhigere Gewässer zu führen. Ruhig war Nehammer auch, vor allem dann, wenn es um das Thema Korruption ging. Da suchte er die Distanz und sollte sein Name auch irgendwo vorkommen, wusste er die Verantwortung woanders zu verorten. Das führte dazu, dass der Nationalrat mehrmals Sondersitzungen abhielt, um den Kanzler mit Vorwürfen zu konfrontieren. Generell dreht sich, seit das Ibiza-Video 2019 zum vorzeitigen Ende der türkis-blauen Koalition geführt hat, innenpolitisch das meiste um Parteispenden, Inserate, Postenbesetzungen und Auftragsvergaben. Auch dieses Jahr war Österreichs Innenpolitik von Korruption und Korruptionsvorwürfen dominiert. Manche Causen schlugen nur kurzfristig Wellen, wie die Personenschützer der Kanzlerfamilie, die betrunken einen Blechschaden verursacht haben sollen. Andere Affären begleiteten uns schon das ganze Jahr, wie Ermittlungen gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Was folgt, ist ein Überblick über jene Aufreger, die auch 2023 Medien und Bevölkerung weiter beschäftigen werden. Für alle Genannten gilt im Fall einer strafrechtlichen Verfolgung die Unschuldsvermutung.
Die Thomas-Schmid-Saga geht weiter
Thomas Schmid wird wohl auch das Jahr 2023 entscheidend mitprägen: Der frühere Öbag-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium ist eine der zentralen Figuren des Casinos-Ermittlungsaktes "Casag" rund um Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz und Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Am 18. Oktober wurde bekannt, dass Schmid mehrmals von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einvernommen wurde und er dabei ehemalige Mitstreiter und Parteikollegen schwer belastet. Nachdem er von der WKStA vollständig befragt worden war, hat Schmid Anfang Dezember den Kronzeugenstatus beantragt, über den das Justizministerium erst entscheiden muss.
Außerdem wurde der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss nur deshalb bis 1. Februar verlängert, damit die Fraktionen Thomas Schmid noch ein zweites Mal befragen können. In seiner ersten Befragung am 3. November entschlug sich Schmid bei jeder Frage, um sein Verfahren und einen möglichen Kronzeugenstatus nicht zu gefährden. Es sind auch noch nicht alle Causen bekannt, zu denen Schmid ausgesagt hat und befragt wurde, man kann deshalb damit rechnen, dass Schmid auch 2023 weiter für Schlagzeilen und möglicherweise sogar für weitere Ermittlungen sorgen wird.
Wien-Energie-Kommission überprüft Ludwigs Verhalten
Als die Wien Energie Ende August aus scheinbar heiterem Himmel einen Notkredit des Bundes beantragt, um nicht in die Insolvenz zu schlittern, ist das Erstaunen groß. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) half der Wien Energie mit einer Notkompetenz schon am 15. Juli. Am Ende benötigte der Energieanbieter einen Milliardenbetrag, worüber Ludwig zu Beginn aber niemandem Bescheid gab. ÖVP und FPÖ wollten die Vorgänge näher untersuchen und bildeten eine Untersuchungskommission. Die aus allen Fraktionen des Gemeinderats bestehende Kommission begann am 1. Dezember ihre Arbeit und soll ein Jahr lang arbeiten. Die Opposition wird 2023 versuchen, aus den Erkenntnissen und Befragungen Kapital zu schlagen. Erst am Donnerstag wurde bekannt, dass Ludwig der Kommission auch die Inhalte seines Diensthandys zur Verfügung stellen muss.
Parteiensenat entscheidet über ÖVP-Wahlkampfkosten
Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) wird nach einer Anzeige des Rechnungshofes über den ÖVP-Rechenschaftsbericht entscheiden müssen. Genauer gesagt, muss der UPTS entscheiden, ob Kosten einer Wandertour mit Sebastian Kurz zu den Wahlkampfkosten zu zählen sind oder nicht. Die ÖVP argumentiert, dass es so eine Wandertour auch schon 2018 gegeben hat, es also keine Wahlkampfveranstaltung sei. Der Rechnungshof sieht das anders. Sollte der UPTS dem Rechnungshof zustimmen, hat die ÖVP die Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen um knapp 500.000 Euro überschritten. Der Senat tagt das nächste Mal voraussichtlich am 17. Jänner, das Verfahren kann aber länger dauern und ist von "der ausreichenden Ermittlung des Sachverhalts" abhängig, wie der UPTS der "Wiener Zeitung" mitgeteilt hat. Sollte der UPTS zum Schluss kommen, dass hier tatsächlich Wahlkampfoberkosten überschritten wurden, drohen der Volkspartei hohe Strafen, da auch miteinfließt, ob es schon frühere Verstöße gegeben hat.
Chorherr-Prozess geht in finale Phase
Der frühere Wiener Gemeinderatsmandatar Christoph Chorherr war Planungssprecher der Grünen. Ihm wird von der WKStA vorgeworfen, dass er von Immobilienunternehmen Spenden für seinen gemeinnützigen Verein gefordert beziehungsweise zumindest angenommen haben soll.
Im Jänner werden die Befragungen weitergehen und dann soll zeitnah ein Urteil gefällt werden. Die Immobilienunternehmer sollen gespendet haben, um im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren zu bekommen. Das Verfahren ist ein Auflauf bekannter Persönlichkeiten: Neben den Angeklagten Rene Benko oder Michael Tojner zählen Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und die frühere Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) zu den Zeuginnen. Sie haben sich allesamt nicht schuldig bekannt.
Corona-Förderungen im ÖVP-Umfeld
Die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend hat vom Ressort des Vizekanzlers Werner Kogler (Grüne) schon eine Rückzahlungsaufforderung der 800.000 Euro aus dem NPO-Fonds für gemeinnützige Vereine bekommen. Das Ministerium geht davon aus, dass die Jungbauern dem Tiroler Bauernbund - und damit der ÖVP - zuzurechnen sind, die Jungbauern verneinen das und haben eine erste Zahlungsfrist verstreichen lassen. Sollten sie auch die zweite Frist vom 17. Jänner verstreichen lassen, kündigte das Ministerium schon rechtliche Schritte an.
Auch bei den Seniorenbünden könnte Ähnliches passieren: Dabei geht es um Vereine, die formal gemeinnützig sind, aber personelle, inhaltliche und optische Gemeinsamkeiten mit ÖVP-Teilorganisationen aufweisen. Parteien und Teilorganisationen sind von der Forderung ausdrücklich ausgeschlossen. Die bisherigen Prüfungen des zuständigen Ministeriums führten noch zu keinem Ergebnis. Man wolle ein Verfahren vor dem UPTS abwarten, bevor man weitere Schritte setze, heißt es.
Gerichtsverfahren von Karmasin, Strache und Fuchs
Die WKStA hat gegen Sophie Karmasin Ende November eine Betrugsanklage eingereicht. Dabei ging es um angebliche wettbewerbsbeschränkende Absprachen im Zusammenhang mit drei Studien für das Sportministerium von Werner Kogler. Laut Anklage stimmte Karmasin mit einem Abteilungsleiter im Ministerium ab, bei welchen Firmen Vergleichsangebote eingeholt werden sollten. Diese Firmen - darunter Sabine Beinschab, die 2022 zur Kronzeugin wurde - sollen dann Angebote gelegt haben, die Karmasin unterbieten konnte. Außerdem soll Karmasin unrechtmäßig eine Gehaltsfortzahlung nach dem Ende ihrer Ministerinnentätigkeit bezogen haben. Wann genau verhandelt wird, ist noch nicht bekannt, weil ein Angeklagter ein Rechtsmittel gegen die Anklage eingelegt hat, über das erst das Oberlandesgericht entscheiden muss. Auch sonst werden die Gerichte einiges zu tun haben, müssen doch Verfahren gegen Heinz-Christian Strache (Prikraf) und Oberstaatsanwalt Johann Fuchs (Geheimnisverrat) wiederholt werden.