In Vukovar sorgen von oben angeordnete Ortstafeln in kyrillischer Schrift für Unmut - aber eigentlich haben Kroaten und Serben hier andere Sorgen.
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Dieser Tage in Vukovar. Mit Unbehagen denkt man an jüngste Meldungen zu Demonstrationen nationalistischer kroatischer Kriegsveteranen gegen die angeordneten kyrillischen Amtstafeln für die serbische Bevölkerung. Mit Sorge sieht man dem in Kürze stattfindenden Marsch der Kroaten aus dem ganzen Land zum Friedhof von Vukovar entgegen.
Aber das Leben in der größten Stadt dieser sensiblen Region Europas scheint ziemlich normal zu fließen. Natürlich sind die tiefen Wunden des furchtbaren Bürgerkrieges vor 20 Jahren auf allen Seiten längst nicht verheilt. Aber immerhin: Nicht weit vom zerschossenen Wasserturm als Symbol der Schlacht um Vukovar steht an der Mündungsstelle der Vuka in die Donau ein großes weißes Kreuz zum Gedenken an die Opfer aller Nationalitäten. Andere sagen, es sei das Kreuz für die Verteidiger Vukovars.
Die Stadt ist zwar nicht geteilt, es gibt aber auch kaum ein Miteinander, sondern nur ein Nebeneinander. Zu tief sitzt die unaufgearbeitete Geschichte, die nicht nur den Bürgerkrieg der 1990er, sondern auch die Zeit des Wütens der kroatischen Ustascha gegen die Serben im Zweiten Weltkrieg betrifft.
Aber Kroaten und Serben haben derzeit andere Sorgen in dieser Randregion. Es gibt zu viele Arbeitslose, keine Investitionen, keine Zukunft für die Jugend, wer kann, wandert ab. Die einheimischen Serben drängen nicht wirklich auf zwei-schriftige Amtstafeln, schließlich unterscheidet sich die Sprache ohnehin kaum. Was die Kroaten in der Region aufregt, ist die Indolenz der Zentralregierung in Zagreb. Die kyrillischen Tafeln wurden ohne Vorwarnung einfach angeordnet - vom zuständigen Minister von der Urlaubsjacht aus. Das 40-jährige Tauziehen zwischen Kärnten und Slowenien um die zweisprachigen Ortstafeln und die vielen Fehler dabei haben sich offenbar nicht bis Zagreb durchgesprochen.
Zu Recht sind Bewohner der slawonischen Region jeder Nationalität empört, weil sensationsgierige europäische Medien die Proteste von ein paar Dutzend Demonstranten zu schweren und explosiven Auseinandersetzungen zwischen Kroaten und Serben aufblasen. Dies entspricht keinesfalls den Tatsachen und gefährdet die dünne Decke des gefundenen Modus vivendi zwischen Kroaten und Serben.
Bei einer Minderheit von mindestens 30 Prozent muss die kyrillische Schrift her. In der Vojvodina, der autonomen serbischen Provinz, findet man sie kaum. In Kärnten stehen der slowenischen Minderheit zweisprachige Ortstafeln ab einem Anteil von 10 Prozent zu. Von den offiziell 30 Prozent Serben in Vukovar lebt ein guter Teil in Serbien und Bosnien-Herzegowina, ihre Häuser in Kroatien stehen leer. Die Kroaten wollen klären, wie viele Serben hier tatsächlich leben. Österreich brauchte mehr als vier Jahrzehnte für die Einigung mit den Slowenen.
Präsident Ivo Josipovic hatte mehr Gespür und rief alle Parteien auf, die Bevölkerung über die Gründe für die Zweisprachigkeit aufzuklären. Er rief auch zum Gewaltverzicht auf. Man gebe auch den Kroaten und Serben ausreichend Zeit, führe einen ständigen Dialog. Jedes Oktroy von oben wird scheitern.