Fehldiagnose eines anderen Spitals führte zu verspäteter Behandlung.
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Wien. Die Krätze (Scabies) gilt als lästige, teilweise extrem juckende Infektionskrankheit, die rechtzeitiges medizinisches Handeln erfordert. Ansonsten breitet sich nämlich die Krätzenmilbe, die die parasitäre Hautkrankheit verursacht, rasch aus und befällt andere Menschen. In Deutschland etwa genügt schon der bloße Verdacht, dass sich Betroffene nicht mehr in Gemeinschaftseinrichtungen aufhalten oder gar arbeiten dürfen - so will es das Bundes-Infektionsschutzgesetz. Dass in Österreich, wo die Krätze nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten zählt, nicht ganz so streng umgegangen wird, beweist ein aktuelles Beispiel aus dem Wiener Krankenhaus Floridsdorf.
Laut einer Spitals-Mitarbeiterin (Name der Redaktion bekannt) sei die Scabies bei einer Patientin in der Akutgeriatrie der 5. Medizinischen Station aufgetreten und erstmals vor rund 2,5Wochen bekannt geworden. Allerdings sei daraufhin von den Verantwortlichen versucht worden, den Fall herunterzuspielen: "Über die Infektionsquelle und die Infektionskette wurde Stillschweigen verhängt, sodass sich pflegerisches und sonstiges Personal sowie möglicherweise auch Angehörige ansteckten. Man mokierte sich sogar über die angesteckten Personen und bezeichnete sie als Hypochonder, wenn sie über juckende Hautveränderungen berichteten", schildert die Mitarbeiterin.
"Rechtzeitige Prophylaxe wurde verhindert"
Erst mit großer Verspätung, nämlich am letzten Jänner-Freitag - also rund 1,5 Wochen danach - seien vom Haus erste Gegenmaßnahmen getroffen worden; nach Behandlungen seien einige Mitarbeiter danach nach Hause in Quarantäne geschickt worden. Die Mitarbeiterin fürchtet ebenfalls, sich angesteckt zu haben - bei einer Inkubationszeit von drei bis sechs Wochen sei eine Erkrankung noch nicht ausgeschlossen. Sie schließt mit schwerer Kritik: "Rechtzeitige Informations-, Hygiene- und Prophylaxemaßnahmen sind verhindert worden."
Eine Stationsschwester bestätigt auf Anfrage der "Wiener Zeitung" das Krätzen-Problem auf der Akutgeriatrie: Mittlerweile seien aber alle Patienten mit Salben vor einer Ansteckung geschützt, betroffene Kollegen seien wiederum in den Krankenstand geschickt worden.
"Fehldiagnose passierte im Spital Mödling"
Eine Sprecherin des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) versucht die Dramatik zu relativieren: "Es gab nur diese eine Erkrankung und keine weiteren Ansteckungen." Sowohl andere Patienten als auch die Mitarbeiter seien vorsorglich mit Salben und Tabletten gegen die parasitäre Hautkrankheit behandelt worden.
Nicht richtig sei allerdings, dass das Spital von der Scabies-Erkrankung gewusst hätte, aber lange nichts dagegen unternommen hätte: "Die Patientin ist aus dem Krankenhaus Mödling mit einem Ausschlag gekommen. Dazu gab es eine Diagnose und bereits eine Behandlung", erklärt eine KAV-Sprecherin. Erst später sei die Meldung aus Mödling gekommen, dass die ursprüngliche Diagnose falsch sei und die Frau an Scabies leide. Danach sei die Station in Floridsdorf gesperrt worden. Und warum hat man die Frau nicht selber untersucht? "Nicht jede Diagnose eines anderen Spitals wird hinterfragt."