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Aufruhr im Stillen Ozean

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.

Die Zeichen der Zeit deuten darauf hin, dass sich der Westen wohl oder übel mit einer neuen Vormachtstellung Chinas anfreunden muss.


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Immer mehr gewinnt der pazifische Raum an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung. Dies vorausahnend, hatte der amerikanische Präsident Barack Obama bereits nach seinem ersten Wahlsieg angekündigt, die USA würden sich in Zukunft mehr auf Ost- und Südostasien konzentrieren, anstatt sich dem krisengeschüttelten "old Europe" zuzuwenden.
Die Zeichen der Zeit deuten tatsächlich darauf hin, dass sich der Westen wohl oder übel mit einer neuen Vormachtstellung Chinas anfreunden muss. Gerade deshalb ist Chinas Umgang mit seinen Nachbarstaaten von höchster Relevanz. Eine kriegerische Eskalation im Stillen Ozean würde nämlich nicht nur den Weltfrieden gefährden, sondern auch die globale Wirtschaftsordnung erheblich beeinträchtigen.

Das Verhältnis zwischen China, Japan, Südkorea und Nordkorea ist derzeit alles andere als gut. Dass es zwischen China und Japan im Konflikt um die Diaoyu- beziehungsweise Senkaku-Inseln zu keinen feindlichen Handlungen kommen wird, kann niemand so recht vorhersagen. Erstaunlicherweise haben sich die USA in dieser Auseinandersetzung bislang zurückgehalten, wenngleich ihre Präferenz auf der Hand liegt: 1971 wurden die Inseln nahe dem chinesischen Festland und Taiwan, wo Öl- und Gasvorkommen vermutet werden, von der amerikanischen Verwaltung an Japan übergeben. An einer strategischen Machtausdehnung Chinas, das im US-Präsidentschaftswahlkampf zum Feindbild Nummer eins gemacht wurde, haben die USA mit Sicherheit kein Interesse. Während die EU Peking in dieser Angelegenheit zu mehr Diplomatie aufgerufen hat, patrouillieren chinesische "Beobachtungsschiffe" unentwegt in dem Gebiet.

Viel gesprächsbereiter als mit Japan zeigt sich Chinas Führung hingegen mit Nordkorea. Doch auch hier kann man Spannungen mit der isolierten Diktatur Kim Jong-uns nach dem am 12. Februar 2013 durchgeführten Atomwaffentest nicht länger ausschließen. Dass sich der neue chinesische Machthaber Xi Jinping plötzlich mit Japan und Südkorea, die Nordkorea als "Marionetten der USA" bezeichnet, verbrüdern wird, scheint äußerst unwahrscheinlich. China hat kein Interesse am Sturz des nordkoreanischen Regimes oder an einer koreanischen Wiedervereinigung, da dies einerseits seine eigene Vormachtstellung im Pazifik gefährden und andererseits massive Flüchtlingswellen auslösen könnte.

Auf Dauer wird aber selbst China den Alleingang des nordkoreanischen Oberbefehlshabers Kim Jong-un nicht tolerieren. Von zahlreichen Maoisten werden die fast schon monarchisch anmutende Machtübergabe in Nordkorea von einer Generation an die nächste und der zu einer Religion ausufernde Personenkult um Kim Il-sung und Kim Jong-il vehement abgelehnt. Mit seinem Festhalten an der "Songun"-("Militär zuerst"-)Doktrin zum Selbstschutz vor den USA wirkt Nordkorea außerdem Chinas Expansionsstrategie entgegen, da Amerika dadurch seine Militärpräsenz in Japan und Südkorea maßgeblich erhöhen wird. Wie lange wird China dann noch den Weg der Diplomatie für den einzig wahren halten?