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Aufrüstung für die neue Grenze

Von Martyna Czarnowska

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Rumänien und Bulgarien wollen ab dem kommenden Jahr dem Schengen-Raum angehören. | Technisch könnten sie es wohl. Doch das ist manchen EU-Staaten zu wenig.


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Mit ein paar Handgriffen ist die Verkleidung von der Fahrertür abmontiert. Zwei Stangen Zigaretten passen in den Zwischenraum. Die drei Flaschen Whiskey werden unter dem Sitz verstaut. Gekauft wurde alles in dem großen Blechcontainer nebenan, der als Geschäft fungiert und rund um die Uhr geöffnet hat.

Der Laden liegt nur ein paar Schritte entfernt von der rumänisch-ungarischen Grenze, wenige Kilometer hinter der Stadt Oradea, im Nordwesten Rumäniens. Der Einkauf und die Verladeaktion des Autofahrers, der wenige Minuten später die Grenze passieren wird, geschieht unter den Augen der rumänischen Zöllner. Doch ihnen kann es egal sein, wie viel Tabak oder Schnaps das Land verlässt. Es liegt an ihren ungarischen Kollegen, illegale Importe in die Europäische Union zu verhindern. Wenige hundert Meter weiter filzen die dann die Autos.

Es ist Sommer 2006. Rumänien ist noch nicht der EU beigetreten, und die Ungarn müssen eine der Außengrenzen der EU sichern.

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Vier Jahre später setzen die Rumänen alles daran, der EU zu beweisen, dass sie selbst nun auch in der Lage sind, Menschen- oder Warenschmuggel einzudämmen. Wie die benachbarten Bulgaren möchten sie im März 2011 dem Schengen-Raum beitreten, in dem sich EU-Bürger ohne Zollkontrollen bewegen dürfen. Doch dafür müssen sie zeigen, dass nun sie die Außengrenzen der EU schützen können. Denn wer aus der Ukraine, Moldawien oder Serbien nach Rumänien reingelassen wird, kann künftig ungehindert durch - fast - die gesamte Union reisen.

Rund eine Milliarde Euro haben sich die EU und die rumänische Regierung die Aufrüstung des Grenzschutzes kosten lassen. Wachtürme wurden aufgestellt, Infrarotkameras und Radaranlagen installiert, Computersysteme miteinander vernetzt, schnelle Eingreifteams zusammengestellt und geschult. Ihr Land habe alle Bedingungen für eine Aufnahme in die Schengen-Zone erfüllt, betonen rumänische Politiker daher. Dasselbe wiederholen ihre bulgarischen Amtskollegen.

Rein technisch mag das ja stimmen, wenden ein paar andere EU-Staaten ein. Aber wie sollen wir Rumänien und Bulgarien vertrauen, wenn sie noch immer regelmäßig von der EU-Kommission gerügt werden, fragen etwa Vertreter Frankreichs, Deutschlands oder der Niederlande. Brüssel mahnt nämlich immer wieder Bukarest und Sofia, Korruption und Misswirtschaft stärker zu bekämpfen.

Das eine habe mit dem anderen doch nichts zu tun, opponieren die südosteuropäischen Politiker. Es gehe doch nun darum, aus der Ukraine geschmuggelte Zigaretten oder über die Türkei illegal Einwandernde von der Europäischen Union fernzuhalten. Immerhin seien etwa in Rumänien heuer bis September sechs Millionen Päckchen Zigaretten konfisziert worden.

Dabei kann es vorkommen, dass auch in den eigenen Reihen ermittelt wird. Erst vor wenigen Monaten stellten rumänische Polizisten bei einem Transport mehr als 10.000 Schachteln unverzollte Zigaretten sicher, die aus Moldawien kamen. Die Schmuggler waren Berufskollegen.

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Wie Rumänien entgehen Bulgarien durch Schmuggel Millionen Euro an Einnahmen für die Staatskasse. Doch auch die mangelhafte Zahlungsmoral so mancher Steuerpflichtiger macht den Regierungen zu schaffen. Bulgarische Behörden haben daher die "Aktion Helikopter" gestartet. Die von oben fotografierten Bilder von Luxusvillen, deren Besitzer sich oft jeglicher Kontrolle entzogen haben, druckten Medien mit Genuss ab. Übrigens: Unter den Hausherren gab es auffallend viele Zöllner.