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Aufrüstungssymbol

Von Gerald Mader

Politik

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Österreich hat weder eine gemeinsame außenpolitische Grundorientierung noch eine Sicherheitsdoktrin, welche der veränderten außen- und sicherheitspolitischen Lage nach dem Ende des Kalten Krieges Rechnung trägt. Das lässt die Frage der Verantwortlichkeit offen, ist eine bloße Feststellung. Solange es diese neue Sicherheitsdoktrin aber nicht gibt, kann es über den Ankauf von oder den Verzicht auf Abfangjägern nur virtuelle Diskussionen geben, da der Mangel einer Sicherheitsdoktrin eine seriöse Entscheidung über den Ankauf von Abfangjägern ("wen sollen sie abfangen?") ausschließt. Grundsätzlich ist daher dem Finanzminister zuzustimmen, wenn er von einer finanziellen Fehlentscheidung warnt und keine Entscheidung treffen will, solange die Sicherheitsdoktrin, welche Österreichs sicherheitspolitische Rolle in der EU klären soll, nicht vorliegt.

Die gegenwärtige Diskussion bewegt sich in den alten Gleisen einer überholten Sicherheitspolitik, die sich in der vermeintlichen Alternative Neutralität oder NATO-Beitritt festgefahren hat, obwohl es in Wirklichkeit darum geht, ob die EU als Zivil- und Friedensmacht oder als Militärmacht konzipiert werden soll. Eine Friedensmacht Europa schließt militärische Mitteln nicht aus, aber sie sind auf Verteidigung und auf UNO-Einsätze zu beschränken.

Interessanterweise sind es die Gegner der österreichischen Neutralität, welche die Auffassung vertreten, dass ein neutrales Österreich unbedingt Abfangjäger benötige. Sie gehen hierbei von einer bewaffneten Neutralität aus, die sich aus dem Neutralitätsgesetz ergibt, das davon spricht, dass Österreich seine Neutralität mit den gebotenen Mitteln zu verteidigen habe. Diese Argumentation übersieht aber den Wandel, den die Neutralität in der Zwischenzeit mitgemacht hat. Es sind die Gegner der österreichischen Neutralität, die darauf hinweisen, dass die klassische Neutralität sich in eine "Restneutralität" verwandelt hat. So wie Österreich seine Neutralität selbst auslegen kann, kann es auch das Ausmaß seiner Bewaffnungspflicht selbst bestimmen. Irland hat seit langen auf eine Verteidigung des Luftraumes durch eine Luftwaffe verzichtet. Im übrigen gibt es auch Staaten mit unbewaffneter Neutralität, die vom keinen Nachbar überfallen werden (z.B. Costa Rica). Heute ist jedenfalls weder die klassische Neutralität noch die voll bewaffnete Neutralität zeitgemäß. Österreich sollte daher im Rahmen seiner Souveränitätsgestaltung auf eine Luftverteidigung verzichten, wenn diese ohnehin nur beschränkt durchgeführt werden kann und mangels Bedrohung sinnlos geworden ist. Wir sollten die staatliche Souveränität lieber dort verteidigen, wo sie für die Menschen eine effektive Bedeutung hat (Souveränitätsverlust gegenüber internationalen Konzernen).

Aus den Berichten der Drakenpiloten wissen wir, dass ein voll funktionierender Schutz des Luftraumes weder mit den bestehenden, noch mit den anzuschaffenden Abfangjägern zu erreichen ist. Dies deshalb, da der Einsatz der Draken nur bei Tag möglich ist und der Luftraum auch bei Tag nicht lückenlos geschützt werden kann. Die Registrierung der Luftzeuge durch Radar kann jedoch immer problemlos erfolgen. Die zusätzliche Aufgabe der Abfangjäger liegt darin, die vom Radar erfassten Flugzeuge zu identifizieren, um mit entsprechenden Fotos die diplomatischen Proteste auf diese Weise belegen zu können. Hier stellt sich unabhängig von der fehlenden Sicherheitsdoktrin die Frage, ob die hohen finanziellen Aufwendungen die Fortsetzung dieser beschränkten Verteidigung unseres Luftraumes durch Abfangjäger rechtfertigen

Davon unabhängig setzt jede Verteidigungsmaßnahme eine reale Bedrohung voraus. Wenn Österreich sich durch NATO-Staaten nicht bedroht fühlt, dann braucht es auch seinen Luftraum gegen NATO-Flugzeuge nicht zu verteidigen.

Inzwischen wurde die Anschaffung von neuen Abfangjägern zu einem Symbol der Aufrüstung, die vom Bundesheer im Rahmen der Heeresreform angestrebt wird. Es steht daher zu befürchten, dass sich der Finanzminister mit seinen sachlichen Argumenten gegen diese Ideologie der Aufrüstung nicht durchsetzen wird. Wir werden Abfangjäger (in geringerer Zahl) kaufen, auch wenn wir sie nicht brauchen. Die Drakenpiloten werden sich über die Anschaffung von Abfangjägern freuen, für deren persönliche Freude man Verständnis haben kann, auch wenn man für die militärische und finanzielle Fehlentscheidung kein Verständnis hat.

Dr. Gerald Mader leitet das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) in Stadtschlaining/Burgenland.