Wissenschaftsministerium: "FHs können Studienbeiträge einheben."
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Wien. Der Sommer rückt näher, und damit läuft der Fachhochschul-Entwicklungsplan aus. Auf ein solches mehrjähriges Planungsdokument können im Hochschulsektor nur die Fachhochschulen (FH) zurückgreifen - aber nicht mehr lange. "Wir wissen nicht, wie es ab 2015 weitergehen soll", sagt Helmut Holzinger, Präsident der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz. Denn einen neuen Studienplan zu erstellen, benötige zwei Jahre Vorlaufzeit. Bei einer Pressekonferenz in der Arbeiterkammer (AK) Wien am Freitag verlangte er, die Zahl der Studienplätze an FHs bis 2020 von derzeit 41.000 auf 60.000 zu erhöhen und den Fördersatz pro Studienplatz, der derzeit im Schnitt 7000 Euro beträgt, auf 7500 Euro anzuheben.
"Töchterle ist säumig"
Den "massiven Ausbau" des FH-Sektors und einen neuen Fachhochschulplan bis zum Sommer fordert auch Rudolf Kaske, Präsident der Arbeiterkammer, und holt überdies zum Angriff gegen den Wissenschaftsminister aus: "Trotz mehrfacher Beteuerung bleibt Töchterle bei Finanzierung und Ausbau säumig", so Kaske, und: "Es ist untragbar, dass an den FHs von 55.000 Bewerbern 39.000 weggeschickt werden müssen."
Dass hinter dem plötzlichen Aufschrei auch Wahlkampf-Kalkül stecken könnte, legt eine Pressekonferenz vor knapp zwei Monaten nahe: Damals hatten Holzinger und Töchterle gemeinsam den Ausbau der FHs angekündigt; 4000 neue Studienplätze sollen bis 2015 geschaffen werden, Kostenfaktor: 40 Millionen Euro. Im Wissenschaftsministerium versteht man die aktuelle Aufregung jedenfalls nicht: "Wir sind mit der Hochschul-Konferenz in Kontakt, es finden laufend Gespräche zum Entwicklungsplan statt", so eine Sprecherin zur "Wiener Zeitung". Ob der Plan noch vor dem Sommer steht, könne sie derzeit nicht sagen: "Das hängt von den laufenden Gesprächen ab." In einer Aussendung ließ Töchterle wissen, aktuell laufe die dritte Ausschreibungsrunde und: "Wir bauen die FHs gezielt aus."
Zusätzlich zum Ausbau fordert Holzinger die Aufstockung der Fördermittel vom Bund von 7000 Euro auf 7500 Euro pro Studienplatz. Seit 2009 sei keine Anpassung erfolgt, die Kosten seien jedoch um rund 7,5 Prozent gestiegen. Dazu heißt es aus dem Wissenschaftsministerium: "Die 40 Millionen Euro waren für zusätzliche Plätze bestimmt, nicht für den Ausbau bestehender", und: "Die FHs haben die Möglichkeit, Studienbeiträge einzuheben, das tun noch nicht alle." Und mit dem jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) im Mai könnten die Studiengebühren wieder einmal Wahlkampfthema werden.
Wir erinnern uns: Aufgrund des OGH-Urteils muss die Republik einem ehemaligen Studenten der Medizin-Uni Graz Schadenersatz für die Verzögerungen in seinem Studium bezahlen, da die Uni zu wenige Plätze in Lehrveranstaltungen zur Verfügung gestellt hatte. Seither ist der großkoalitionäre Dauerbrenner Studiengebühren neu aufgeflammt: Töchterle wiederholt - bestärkt vom OGH-Spruch - seine Forderung nach flächendeckenden Zugangsregelungen. Parteiinterne Rückendeckung ist Töchterle sicher, auch ÖVP-Chef Michael Spindelegger verlangt Zugangsbeschränkungen in allen Fächern.
Die alte Gebührendebatte
Vollkommen konträr interpretiert die SPÖ das OGH-Urteil, das im Übrigen die Kanzlei von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim erfochten hat. "Nicht weniger, sondern mehr Studierende und ausreichende Finanzierung" müsse die Antwort sein, sagte etwa Wiens roter Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Zurückhaltender gab sich Bundeskanzler Werner Faymann: Er wies Forderungen nach mehr Geld für die Unis zurück und verwies auf die bereits beschlossene Aufstockung im aktuellen Finanzrahmen. Auf die bestehenden Zugangsbeschränkungen an den Unis - die es an den FHs seit Anbeginn gibt - werde man jedenfalls nicht verzichten können.
Ganz auf SPÖ-Linie sprach sich bei der Pressekonferenz am Freitag auch AK-Präsident Kaske gegen Studiengebühren aus und erklärte, er sei auch für die Abschaffung der Studiengebühren an den FHs. An dieser Stelle hakte jedoch Holzinger ein: Dann müsse der Einnahmenausfall von rund 30 Millionen Euro den FHs vom Bund ersetzt werden.
Während die FHs 1995 vom Bund mit rund 6,4 Millionen Euro gefördert wurden, waren es im Vorjahr 234 Millionen, die in den FH-Sektor flossen, und im Wissenschaftsministerium verweist man auf den Anstieg der Studiengänge: 1994 gab es 693 Studierende und zehn Studiengänge, 2012 studierten 41.400 Studenten an einem der mittlerweile 385 FH-Studiengänge. Dass noch weitere hinzukommen sollen, darüber sind sich alle einig. In welcher Größe der Ausbau stattfinden wird, solle von den budgetären Möglichkeiten, dem zeitlichen Rahmen und der "Beibehaltung des hohen Qualitätslevels" abhängen, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Die Fachhochschul-Konferenz wird konkreter: Bei einem Ausbau der Anfänger-Studienplätze um 1350 pro Jahr würden bis 2020 18.900 zusätzliche Plätze entstehen. Damit würde die Zahl der Studienplätze auf 60.000 und der Anteil der FH-Studenten an der Studenten-Gesamtzahl von derzeit zwölf auf 20 Prozent steigen, so Holzinger. Damit käme man der Empfehlung von Experten ein Stück weit näher, wonach in Österreich künftig 40s Prozent der Studierenden an FH studieren sollen. In der Schweiz und in Deutschland studieren rund 30 Prozent an einer Fachhochschule.
Die AK will berufsbegleitende Studiengänge und einen Fördertopf zur Erhöhung des Anteils von Studenten ohne traditionelle Matura - eine Forderung, die auch die Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) und SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl unterstützen. Für Kuntzl ist es ein "untragbarer Zustand," dass an den FHs "drei von vier Bewerberinnen und Bewerber abgewiesen werden", sie fordert mehr Geld für FH-Studienplätze. "Wir vermissen, wie auch bei den Unis, einen Plan für die FHs", schreibt Martin Schott vom ÖH-Vorsitzteam in einer Aussendung, in der der auslaufende FH-Plan als "an vielen Stellen zu unkonkret und unverbindlich" kritisiert wird. In Richtung Töchterle heißt es, der Minister lasse keine Gelegenheit aus, den Ausbau der Fachhochschulen zu propagieren, während der reale Ausbau gering ausfalle. Und: Bei den Unis werde nicht an Ausbau gedacht, sondern "mit Experimenten rund um autonome Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen auf dem Rücken der Studierenden agiert". Die ÖH verlangt einen Hochschulplan mit einer langfristigen Vision für Österreichs Hochschulen.