Schuldenschnitt wäre für Raiffeisen "fundamentaler Eingriff in vertragliche Rechte"|Giebelkreuzer warnen Regierung auch vor "Vertrauensverlust der Anleger".
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Wien. Das Sondergesetz zur staatlichen Krisenbank Hypo Alpe Adria sorgt weiterhin für Wirbel. Vor allem sein brisantester Punkt, der geplante Schuldenschnitt, mit dem nachrangige Gläubiger an den Abwicklungskosten beteiligt werden sollen. Ihnen droht ein Totalverlust, obwohl ihnen das Land Kärnten seinerzeit eine Haftungszusage gab. Konkret geht es um Hypo-Anleihen im Volumen von 890 Millionen Euro, die die Bank um die Jahrtausendwende am Markt platziert hatte.
Auch Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband sieht ein Novum darin, Gläubiger per Gesetz zu beschneiden. "Auf diese Weise in zivilrechtliche Belange von Parteien einzugreifen, ist sonderbar", meint der Insolvenzexperte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Was den Juristen Kantner mit Blick auf Grundsätze österreichischer Rechtsprechung ebenfalls wundert: "Man macht ein Gesetz, das nur für Einzelne (Gläubiger, Anm.) gilt, nicht aber für alle anderen."
Raiffeisen droht mit Gangzum Verfassungsgerichtshof
In Aufruhr sind auch die Banker von Raiffeisen. In einem Brief an die Regierung werfen Walter Rothensteiner und Karl Sevelda, die Chefs der Raiffeisen Zentralbank und der Raiffeisen Bank International, dieser einen "fundamentalen Eingriff in vertragliche Rechte" vor. Durch das geplante Gesetz werde auch der Vertrauensschutz in Garantien österreichischer Gebietskörperschaften nachhaltig beschädigt. In dem Schreiben, aus dem "Presse" und "Standard" am Donnerstag zitierten, warnen die Raiffeisen-Bosse vor einem "Vertrauensverlust der Anleger".
Man werde "noch einiges unternehmen, um einen derartigen Gesetzesbeschluss zu verhindern", heißt es in ihrem Brief weiter. Falls das Gesetz trotzdem verabschiedet werden sollte, "wird der Verfassungsgerichtshof das letzte Wort haben".
Raiffeisen selbst wäre im Fall eines "Haircut" indirekt betroffen - über seine Beteiligung am Versicherungskonzern Uniqa, der eigenen Angaben zufolge nachrangige Hypo-Anleihen im Nennwert von rund 35 Millionen Euro hält. Wie berichtet, hatte Uniqa schon am Mittwoch rechtliche Schritte in den Raum gestellt.
Ob der Passus zum Schuldenschnitt im geplanten Hypo-Gesetz rechtlich wirklich wasserdicht ist, darüber scheint sich auch das Finanzministerium nicht ganz im Klaren zu sein. Denn auf seiner Homepage, unter dem Punkt "Fragen und Antworten zur Hypo Alpe Adria", räumt Michael Spindeleggers Ressort ein - Zitat: "Abseits einer Insolvenz ist es (. . .) rechtlich schwierig, von den Anleihe-Investoren Beiträge abzuverlangen. Möglich wäre ein freiwilliger Forderungsverzicht von Anleihehaltern." Doch statt der angesprochenen Freiwilligkeit soll es nun einen gesetzlich verordneten Schuldennachlass geben.
S&P sieht Österreichsguten Ruf gefährdet
Im Finanzministerium wird argumentiert, dass die Hypo-Nachranggläubiger hätten wissen müssen, dass Kärntens Haftungen niemals werthaltig gewesen seien. Zumal das Haftungsvolumen, das Kärnten für die Hypo insgesamt übernommen hatte (25 Milliarden Euro waren es am Höhepunkt, jetzt sind es noch mehr als 12 Milliarden), das Jahresbudget des Landes von zwei Milliarden Euro um ein Vielfaches übersteige. Dass sich der Bund nun weigert, von Kärnten dessen Haftungen für die Hypo-Nachranganleihen zu übernehmen, hat laut Finanzministerium folgenden Grund: "Die Verpflichtung zu einer Ausfallhaftung des Bundes existiert nicht."
Insgesamt haften alle österreichischen Bundesländer noch mit fast 45 Milliarden Euro für ihre (teils früheren) Landesbanken. So wie in Kärnten übersteigen die Haftungsvolumina auch in Vorarlberg, dem Burgenland und Tirol deren Jahresbudgets - eine ebenfalls gefährliche Situation (siehe Grafik).
Wegen der Hypo-Gesetzesvorlage hat die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) zuletzt den Ausblick für die Kreditwürdigkeit von sieben heimischen Großbanken und vier Bundesländern auf "negativ" gesetzt. Für den Fall, dass das Gesetz am 8. Juli vom Parlament beschlossen wird, hat sie mit Herabstufungen gedroht. Am Donnerstag legte S&P nach. Im ORF-Radio meinte Thomas Fischinger, ein Analyst der Agentur, der gute Ruf Österreichs stehe auf dem Spiel. Das Gesetz sei ein "Unikum, das wir bis jetzt in Europa so nicht gesehen haben". Andere Ratingagenturen wie Moody’s und Fitch haben sich bisher noch nicht zu Wort gemeldet.
Neben den Nachranggläubigern soll auch die frühere Mehrheitseigentümerin BayernLB von dem Schuldenschnitt erfasst werden - mit 800 Millionen Euro, einem Teil jener 2,3 Milliarden Euro, die sie noch in der Hypo hat. Die Bayern wollen das keinesfalls akzeptieren: "Wir werden alle rechtlichen Schritte prüfen."