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Aufschwung für die Tropenmedizin

Von Von Alexandra Grass

Wissen

Medizin-Nobelpreis geht an die drei Forscher Youyou Tu, William C. Campbell und Satoshi Omura.


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Stockholm/Wien. "Durch Parasiten verursachte Erkrankungen plagen die Menschheit schon jahrtausendelang und wurden zum globalen Gesundheitsproblem. Sie treffen vorwiegend die Ärmsten der Gesellschaft und stellen eine große Barriere zum Wohlbefinden der Menschen dar. Die diesjährigen Nobelpreisträger haben Therapien entwickelt, die die Behandlung einiger der verheerendsten Parasitenkrankheiten revolutioniert haben." Mit diesen Worten würdigte das Komitee des Karolinska-Instituts in Stockholm am Montag jene drei Forscher, die mit dem Medizin-Nobelpreis 2015 geehrt werden.

Sowohl der Ire William C. Campbell von der Drew University in den USA als auch der Japaner Satoshi Omura von der Kitasato Universität und die Chinesin Youyou Tu von der Chinesischen Akademie für Traditionelle Chinesische Medizin haben mit ihren Forschungen die Tropenmedizin maßgeblich vorangetrieben. Erkrankungen wie die durch Stechmücken übertragene Malaria oder die durch andere ähnliche Parasiten hervorgerufenen Leiden Flussblindheit und Elephantiasis sind heute großteils wieder beherrschbar.

Zwölfte Frau ausgezeichnet

Aus einer seit mehr als zwei Jahrtausenden in der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) weitverbreiteten Wildpflanze, dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua), hat Youyou Tu schon in den 1970er Jahren den Wirkstoff Artemisinin hervorgebracht - ein Malaria-Therapeutikum, das besonders in den Entwicklungsländern Millionen Leben gerettet hat. Die Substanz wird heute nach wie vor in der Form von Kombinationspräparaten erfolgreich eingesetzt. "Das Zurückdrängen der Malaria ist sicherlich zur Hälfte auf die Moskitonetze und zur anderen Hälfte auf diese Medikamente zurückzuführen", hob der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch gegenüber der APA die Bedeutung von Tus wissenschaftlicher Leistung hervor. Mit Artemisinin kommt es zu einer regelrechten Abtötung der Malariaerreger schon in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung.

Nach Angaben der WHO erkrankten im Jahr 2013 weltweit 198 Millionen Menschen an Malaria. 584.000 starben an der Tropenkrankheit, davon immerhin 90 Prozent in Afrika.

Die chinesische Pharmakologin Youyou Tu war erst im Jahr 2011 mit der höchsten medizinisch-wissenschaftlichen Auszeichnung der Vereinigten Staaten - dem Lasker-DeBakey Clinical Medical Research Award - ausgezeichnet worden. Sie hatte im Zuge ihrer Forschungen ausgehend von Überlieferungen der TCM im Auftrag der chinesischen Regierung zahlreiche Heilpflanzen analysiert. Tu ist die zwölfte Frau, die mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt wurde.

Klassische Forschung

Campbell und Omura wiederum haben quasi gemeinsam die Substanz Avermectin entdeckt. Sie stammt auch aus der klassischen Arzneimittelforschung - nämlich aus Steptomyces-Bodenbakterien. Gefunden hat Omura diese neben seinem Golfplatz, wie der leidenschaftliche Golfspieler erzählt. Der Wissenschafter isolierte von mehreren tausend Kulturen die 50 am meisten erfolgversprechenden für die weitere Entwicklung.

Einige dieser Kulturen bekam der US-Parasitologe Campbell in sein Labor. Er fand heraus, dass einer der aus ihnen gewonnenen Wirkstoffe hocheffizient gegen Parasiten von Rindern war. Die abgewandelte Ursprungssubstanz wird heute als Ivermectin beim Menschen etwa zur Bekämpfung der Flussblindheit angewendet.

Das Leiden ist das Endstadium der Wurmerkrankung Onchozerkose. Sie wird durch verschiedenste kleine Mücken übertragen, die etwa an Flussläufen in Afrika leben. Mücken übertragen Larven von Fadenwürmern, die sich im Körper bis ins Auge hin ausbreiten. Der Wirkstoff Ivermectin tötet die Larven ab und macht die adulten weiblichen Würmer steril. Damit wird nicht nur die Krankheit verhindert, sondern auch das Übertragungsrisiko gesenkt. Sie befindet sich damit sogar schon auf dem Weg zur Ausrottung.

Das Mittel wirkt aber auch gegen die sogenannte Elephantiasis tropica (lymphatische Filariose), die in tropischen Ländern für vergrößerte Körperglieder verantwortlich ist. Fadenwürmer wie Brugia malayi gelangen durch den Stich einer Mücke ins lymphatische System des Organismus und verursachen dort eine chronische Entzündungsreaktion mit einem Lymphstau. In Folge kommt es zu einer extremen Vergrößerung und Verhärtung der Haut. Die Erkrankung betrifft mehr als hundert Millionen Menschen.

Halbe-halbe

Während die Pharmakologin die Hälfte der mit insgesamt acht Millionen Schwedischen Kronen (umgerechnet 848.000 Euro) dotierten Auszeichnung erhält, müssen sich Campbell und Omura die andere Hälfte des Preises redlich teilen.

Heute, Dienstag, und am Mittwoch werden die Träger des diesjährigen Physik- und Chemie-Nobelpreises bekanntgegeben. Die feierliche Überreichung findet gemäß aller Traditionen am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, statt.