Aufsichtsbehörden wollen Abspaltung des Osteuropa-Geschäfts der Bank Austria zur Unicredit so nicht akzeptieren.
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Wien/Mailand/Frankfurt. Am 1. August will die italienische Großbank Unicredit die Abspaltung des Osteuropa-Geschäftes von der Bank Austria beschließen. Wie es derzeit ausschaut, könnte nichts daraus werden. Die Bankenaufsicht will dem vorliegenden Vorschlag nicht zustimmen - was gleichbedeutend mit dessen Scheitern wäre. Aus Bankenkreisen ist zu hören, dass die auf eine "Österreich-Bank" reduzierte Bank Austria in dieser Form kein "nachhaltiges Geschäftsmodell" vorweisen könne. Außerdem würde die Bank Austria wegen des Kapitalabflusses zur Mutter Unicredit die erforderlichen Kapitalvorschriften nicht erfüllen. In der für die 126 größten Banken zuständigen Aufsichtsbehörde in der EZB läuten die Alarmglocken.
Denn die Unicredit, in Europa die Nummer 15, hat selbst erhebliche Kapitalprobleme. Derzeit grundelt die Aktie unter 1,90 Euro herum, was den Wert der Bank auf knapp über elf Milliarden Euro drückt. In etwa so hoch wird der Kapitalbedarf von Investmentbankern erwartet - also eine "mission impossible".
Dazu kommen die generellen und erheblichen Schwächen des italienischen Bankensystems, die mittlerweile europaweit bedrohliche Ausmaße annehmen (die "Wiener Zeitung" berichtete).
Neuer Unicredit-Chef mitneuer Strategie
Für die Bankenaufsicht Grund genug, besonders kritisch hinzuschauen. Als fix kann derzeit angenommen werden, dass der vorliegende Plan zur Restrukturierung der Bank Austria so nicht bewilligt wird - was den Hauptversammlungsbeschluss am 1. August hinfällig machen würde.
Gleichzeitig übernahm in diesen Tagen der französische Banker Jean-Pierre Mustier die Führung der Unicredit in Mailand. Er ersetzt Federico Ghizzoni, der das Vertrauen der Aktionäre verloren hatte. Mustier kündigte an, dass "es eine Freude sein wird, mit dem Verwaltungsrat an einem neuen strategischen Plan zu arbeiten".
Das kann natürlich auch bedeuten, dass der Restrukturierungsplan für die Bank Austria verworfen wird und das (lukrative) Osteuropa-Geschäft in der Wiener Bank verbleibt.
Allerdings halten es Investmentbanken auch für möglich, dass Mustier in großem Stil Banken-Beteiligungen verkauft. Es ist nicht wahrscheinlich, aber immerhin denkbar, dass die Bank Austria komplett zum Verkauf gestellt wird.
Brexit und Italien machen Banken zu schaffen
In Zentralbankkreisen wird eingeräumt, dass es im Moment für Banken schwierig ist, Kapitalerhöhungen durchzuführen. Der Brexit und die italienischen Bankenprobleme, die auf faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro sitzen, lasten schwer auf den Bankaktien. Europäische Börsenindizes der Finanzinstitute sind allein heuer bis zu 40 Prozent gefallen.
Ein Verkauf der Bank Austria würde allerdings auch die heimische Politik ins Spiel bringen. "Es kann einer Regierung nicht egal sein, wem die größte Bank des Landes gehört", ist aus Regierungskreisen in Wien zu hören. (Da die gesamte Angelegenheit überaus delikat ist, wollte sich niemand namentlich zitieren lassen.)
Fusion mit französischer Großbank?
Ein anderes Gerücht lautet, dass die Unicredit die Flucht nach vorne antritt und eine Fusion mit einer anderen Großbank anstreben könnte. Da werden die beiden französischen Großbanken BNP und Société Générale genannt. Zweitere verfügt ebenfalls über ein nennenswertes Bankennetz in Osteuropa.
US-Banken scheiden - so Investmentbanker - aus dem Spiel aus, obwohl sie über das meiste Kapital verfügen würden. Denn zum Osteuropa-Netz der Bank Austria gehört eine große Operation in Russland. "US-Banken werden in der jetzigen Sanktionsphase eher vermeiden, sich in Russland eine Bank zu kaufen", sagte einer zur "Wiener Zeitung".
Ein weiteres Fragezeichen ist die Bewertung der Bank Austria in der Unicreditbilanz. Sie dürfte zwar in den vergangenen Jahren abgeschrieben worden sein, allerdings stand sie früher mit 15 Milliarden in den Büchern - das war mehr, als die Unicredit heute wert ist. Deren Bewertung liegt überhaupt nur noch bei etwa 20 Prozent der vorhandenen Vermögenswerte.
Das drastische Einsparungsprogramm der Bank Austria in Österreich ist davon kaum betroffen, es muss in jedem Fall gemacht werden. Mindestens 2000 Mitarbeiter werden mit "Golden Handshake" verabschiedet, die Hälfte der Filialen soll geschlossen werden. Da immer mehr Kunden ihre Bankgeschäfte online abwickeln, rechnen sich die Filialen immer weniger.
Der Widerstand der Aufsichtsbehörde gegen die Abspaltung des Osteuropa-Geschäftes wirft auch ein schiefes Licht auf die österreichischen Verhandler. Betriebsrat und die der Gemeinde Wien nahe Stiftung AVZ, die noch ein paar Aktien haben, einigten sich nach langen Verhandlungen mit der Mailänder Zentrale genau auf diesen Plan. Der führte auch dazu, etwa 3300 Mitarbeiter der Bank Austria ins ASVG-Pensionssystem zu "übersiedeln". Die Bank zahlt dafür mehr als ursprünglich gedacht, da die Regierung 2016 (noch unter Werner Faymann) die gesetzlichen Bestimmungen verschärfte. Die galten davor unbeschadet seit 1957.
Auch in Italien macht sich die Gewerkschaft Sorgen. Der neue Unicredit-Chef Mustier wurde mit den Worten begrüßt, dass "die Erhöhung der Profitabilität in der Unicredit ohne Kündigungen und Filialschließungen" möglich sei. Das wurde vom Präsidenten des italienischen Bankenverbandes relativiert: Das 60-Millionen-Einwohner-Land müsse seine Bankenstruktur von Grund auf erneuern, forderte er.
Und das könnte auch eine Bedingung für weitere Banken-Staatshilfen sein, die in Rom nun offen eingefordert werden. Auch der Gouverneur der Notenbank, Ignacio Visco, forderte dies am Freitag. Nach der EU-Bankenregulierung soll zwar genau das nicht mehr passieren, doch Italien steht vor einem Dilemma.
Wenn eine italienische Bank krachen sollte, würden ganz normale Sparer in Mitleidenschaft gezogen. Dann würden Staatsanleihen unter Druck geraten; in Italien sind diese Staatsanleihen aber Teil der "Sparkultur". Viele Bürger besitzen welche. Das wiederum wäre für Premierminister Matteo Renzi ein Desaster, da er wohl politisch zur Verantwortung gezogen werden würde. Im Oktober steht Renzi allerdings vor einem Verfassungsreferendum, das die Blockaden im römischen Parlament beenden soll. Derzeit sind beide Kammern dort quasi gleichberechtigt, was die Gesetzwerdung zum Glücksspiel macht. Renzi will Reformen durchsetzen.
Wenn italienische Bürger Erspartes verlieren, würde - so die Befürchtung auch in den europäischen Zentralbanken - Italien als unkalkulierbares politisches Risiko bei Investoren gelten.
Für das hochverschuldete Land (135 Prozent der Wirtschaftsleistung) wäre das ein Desaster. Und für die ohnehin gebeutelten italienischen Banken, die ebenfalls Staatsanleihen in ihren Büchern haben, ein Todesstoß.
Danach würden allerdings italienische Sparer noch mehr Geld verlieren, weil dann auch italienische Großbanken kaum zu halten wären.
Oktober-Referendum in Italien ist auch für EU Hochrisiko
Um diesem Horrorszenario zu entgehen, sollen also nun Staatshilfen eingesetzt werden - wohl auch für die Unicredit. Im Klartext würde das bedeuten, dass Banken teilweise oder zur Gänze verstaatlicht werden. Ein Beispiel: Wenn der italienische Staat den gesamten Kapitalbedarf der Unicredit zuführen würde, gehörten ihm wenigstens 50 Prozent.
Dann wäre die Bank Austria von der Gemeinde Wien privatisiert worden, um am Ende bei einer verstaatlichten italienischen Bank zu landen. Das Szenario solle in jedem Fall vermieden werden, ist auch aus Aufsichtskreisen zu hören.
Dazu ist es aber unumgänglich, Entscheidungen schnell zu treffen. Denn auch andere Großbanken in Europa würden von einer politischen und Banken-Krise in Italien erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Zwar hat die Bank Austria kein Obligo bei der Mutter Unicredit, aber dafür das Who’s who der Finanzindustrie. Auch die deutsche Tochterbank der Unicredit, die Münchner HVB, würde schwer leiden.
Und sollte Renzi das Referendum im Oktrober verlieren und anschließend zurücktreten, würde dies, so die Ansicht der meisten Experten, Europa in eine größere und unmittelbarere Krise stürzen als der Brexit.
Bankenaufsicht geht beiItalien besonders strikt vor
Auch aus diesem Grund gehen die Bankenaufseher in Frankfurt besonders strikt vor - auch nun bei den Plänen zur Bank Austria.
In Teilen der österreichischen Politik gibt es auch den vagen Plan, die Bank Austria deswegen an die Börse zu bringen. Das hätte allerdings aufgrund der geltenden Bilanzregeln nur dann Sinn, wenn die Unicredit dabei alle Anteile verkauft. Ob sie sich das leisten kann, wird von Investmentbankern in Frage gestellt. Denn diese 14 Länder (inklusive Türkei) erwirtschaften die Hälfte des Unicredit-Gewinns. Und neben den Kapital- auch Ertragsprobleme hinzunehmen, klingt nach Quadratur des Kreises.