Bei der FPÖ ortet Verfahrensrichter Pöschl in seinem Ibiza-Bericht ein System verdeckter Parteispenden über Vereine.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es waren einige der markantesten Sätze im Ibiza-Video. Es gebe nur "ganz wenige" Spender, die direkt an seine Partei spenden würden, erklärte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der vermeintlichen Oligarchennichte in der Finca auf der Balearen-Insel. "Weil das an den Rechnungshof geht, dann ist es offen für die", so Strache.
Denn Spenden an Parteien mussten damals laut Parteiengesetz ab einer Höhe von 50.000 Euro dem Rechnungshof gemeldet werden und auf dessen Website veröffentlicht werden. Wenige Wochen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos wurde im Nationalrat eine Gesetzesnovelle beschlossen, die Höchstbeträge für Parteispenden stark verringerte. An den Rechnungshof müssen Spenden seither zudem schon ab 2.500 Euro gemeldet werden. Ziel der "großzügigeren" alten, wie der strengeren neuen Regelung ist, Transparenz über Parteispenden herzustellen. Und so Korruption, Postenschacher und Gesetzeskauf möglichst vorzubeugen.
Genau gegen diese Transparenz gebe es aber eine Methode, führte Strache im Video aus: Es gebe "ein paar sehr Vermögende, die zahlen zwischen 500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen" Euro. Diese würden "nicht an die Partei, sondern an einen gemeinnützigen Verein" zahlen. Und nicht nur für FPÖ-nahe, auch für ÖVP-nahe Vereine würden die Spender laut Aussagen Straches zahlen und Geld für Sebastian Kurz "in den Topf" werfen.
Trotz Dementis der von Strache genannten Personen bzw. Unternehmen nach Veröffentlichung des Videos, sorgten die Aussagen Straches für viel Aufmerksamkeit, weil sie ein umfassendes System verdeckter Parteispenden nahelegen. Das Kapitel über eine mögliche "indirekte Begünstigung von Parteien" durch parteinahe Vereine ist mit knapp 130 Seiten schließlich auch mit Abstand das umfangreichste im mit 872 Seiten ohnehin recht dicken Vorab-Bericht zum Ibiza-U-Ausschuss von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl.
Begünstigung in einem Fall "erweislich"
Auf FPÖ-Seite wurden im U-Ausschuss unter anderem die Vereine Institut für Sicherheitspolitik (ISP), Wirtschaft für Österreich, Austria in Motion und Patria Austria näher beleuchtet, auf ÖVP-Seite das Alois Mock Institut, die Julius Raab Stiftung und der Verein Modern Society.
Aufseiten der FPÖ beschreibt Pöschl in seinem Bericht in deutlichen Worten ein "System von parteinahen Vereinen, für die um Spenden gebeten wurde, um die Partei oder einzelne Parteifunktionäre zu unterstützen".
Auch die Begünstigung eines konkreten FPÖ-Spenders sei in einem Fall "erweislich", so der Verfahrensrichter: Der Unternehmer Siegfried Stieglitz, ein langjähriger Freund Straches, spendete 10.000 Euro an den Verein Austria in Motion und sei kurz darauf dank Straches Hilfe in den Aufsichtsrat der Asfinag bestellt worden. Nach einer weiteren Spende habe sich Strache intensiv um ein weiteres Aufsichtsratsmandat für Stieglitz bemüht, zu dem es schließlich nicht mehr kam.
Im Fall Stieglitz wurde nicht einmal der Versuch gemacht, die Spende mit dem eigentlichen Vereinszweck in Einklang zu bringen, so Pöschl. Vielmehr beriefen sich Stieglitz wie Strache in Chatnachrichten immer wieder explizit auf Abmachungen und Versprechungen. "Stieglitz bezahlte mit einer Spende von EUR 10.000 an den Verein Austria in Motion seine Bestellung in den Aufsichtsrat der Asfinag", schreibt Pöschl. Stieglitz weist sämtliche Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.
Als eigentlicher Zweck des Vereins Austria in Motion konnte laut dem Bericht identifiziert werden, dass "zumindest der Großteil der Spender nicht für die statutenmäßigen Vereinszwecke, sondern zur Unterstützung der FPÖ oder ihrer Funktionäre" spendete. Als besonders anschauliches Beispiel dafür werden im Bericht die Spenden der Familie Turnauer angeführt. Die beiden von der Familie dominierten Gesellschaften spendeten 2015 an drei FPÖ-nahe Vereine, 2018 an vier. Insgesamt belief sich die Summe auf rund 475.000 Euro. Grund für die Spenden sei laut einem Schreiben des Vorstands die Identifikation mit dem jeweiligen Vereinszweck gewesen. "Dies erscheint auch im Hinblick auf die fehlende Wahrnehmbarkeit der Vereine in der Öffentlichkeit nicht stichhaltig", schreibt dagegen Pöschl. Es sei davon auszugehen, dass "in Wahrheit die FPÖ unterstützt werden sollte" - also verdeckte Parteispenden vorliegen.
Alois Mock Institut auf ÖVP-Seite im Fokus
Auch im Umfeld der ÖVP "existieren zahlreiche Vereine, die häufig auch enge persönliche Verflechtungen mit der Partei und deren Teilorganisationen aufweisen", so der Bericht. Im Mittelpunkt des U-Ausschusses stand dabei das Alois Mock Institut mit seinem Präsidenten und Gründer Wolfgang Sobotka (ÖVP). Für Kritik der Opposition sorgte, dass dieser zugleich als Vorsitzender des U-Ausschusses fungierte.
Untersucht wurden im Ausschuss vor allem die intensiven Kooperationen des Vereins mit der Novomatic, wobei das Unternehmen etwa Raummiete und Catering für Veranstaltungen des Instituts um jährliche Kosten zwischen rund 9.000 und rund 15.000 Euro übernahm. Novomatic durfte im Gegenzug auf den Veranstaltungen werben. Die Leistung des Alois Mock Instituts soll laut Sobotka darin bestanden haben, Referenten mit entsprechender Expertise für die Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.
Dass diese Veranstaltungen tatsächlich stattgefunden haben, wurde laut Pöschl im U-Ausschuss nicht bestritten. "Anhaltspunkte für das Vorliegen bloßer Scheinverträge konnten dem Beweismaterial nicht entnommen werden." Ebenso seien keine Anhaltspunkte dafür gefunden worden, dass Spender an ÖVP-nahe Vereine wie das Alois Mock Institut verwiesen wurden, um eine Meldung an den Rechnungshof zu vermeiden.
"Den politischen Willen erkaufen"
Zwar machte Walter Grubmüller, der kürzlich - nicht rechtskräftig - wegen Bestechung verurteilte Eigentümer der Privatklinik Währing, im U-Ausschuss eine bemerkenswerte Aussage: Ein mittlerweile verstorbener Lobbyist und früherer Pressesprecher von Ex-ÖVP-Chef Alois Mock sei 2017 an ihn mit dem Angebot herangetreten, ihn bei Direktverrechnungsverträgen für sein Krankenhaus zu unterstützen. Grubmüller müsse sich allerdings "den politischen Willen erkaufen", habe der Lobbyist demnach gesagt und ihn aufgefordert, insgesamt 100.000 Euro an Vereine, darunter das Alois-Mock-Institut, zu bezahlen.
Es wurden aber keine Hinweise dafür gefunden, dass der ÖVP-nahe Lobbyist "vom Verein zum Einsammeln von Spenden beauftragt war", schreibt Pöschl. Zudem sei "keine logische Verbindung" zwischen den Direktverrechnungsverträgen, die mit Krankenkassen abgeschlossen werden müssen, und parteinahen Vereinen zu sehen. Insgesamt habe das Beweisverfahren keine Hinweise zu Geld- oder Sachleistungen an das Alois Mock Institut oder andere ÖVP-nahe Vereine ergeben, "die über die Förderung des Vereinszwecks hinaus der ÖVP zugutekommen sollten", um deren Bundespolitiker zu beeinflussen, resümiert Pöschl.
Alle zehn nun vollständig erschienenen Kapitel zum Ibiza-U-Ausschuss: wienerzeitung.at/ibiza-ausschuss