Zusammensetzung wie ein Puzzle ideal. | WU-Lehrgang bereitet Aufsichtsräte auf Aufgaben vor.
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Wien. Aufsichtsratsmandate gelten gemeinhin als Positionen, die man weniger durch Leistung als vielmehr durch persönliche Bekanntschaft oder mit Hilfe seines Netzwerks erhält. Und tatsächlich ist es so, dass nur 35 Prozent der Aufsichtsratsvorsitzenden, die die Wirtschaftsuniversität Wien (WU) im Februar diesen Jahres in einer Studie befragte, mit dem Vorsitzenden des Vorstandes, den sie kontrollieren sollen, per Sie sind. Mehr als 70 Prozent der Mitglieder in den untersuchten Aufsichtsräten wurden nach eigenen Angaben entweder aufgrund von Entsendungsrechten - wie bei den Vertretern der Arbeitnehmer - oder persönlicher Bekanntschaft besetzt. "Natürlich setze ich mir lieber jemanden hin, bei dem ich weiß, wie der tickt, aber dieses Modell ist im Auslaufen begriffen" sagt Viktoria Kickinger von der Interessensvertretung Inara. Dort können Unternehmen unter anderem in einer Datenbank nach entsprechend qualifizierten Aufsichtsräten suchen. Aus Sicht der Europäischen Kommission, die im April ein Grünbuch für einen "Europäischen Corporate Governance-Rahmen" vorgelegt hat, mangelt es genau daran, an der Qualifikation.
Am Weiterbildungsangebot hingegen mangelt es nicht: Neben EU- und nationalen Corporate Governance Kodizes trägt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und die Tatsache, dass Aufsichtsräte in den letzten Jahren häufiger zivil- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurden, dazu bei, dass die Angebote für Aufsichtsräte in den letzten Jahren wie Schwammerln aus dem Boden geschossen sind", wie Elisabeth Stampfl-Blaha, Vizedirektorin von Austrian Standards, formuliert. Unternehmen trachten zunehmend danach, Aufsichtsräte mit Blick auf Leistung und Erfahrung zu wählen. Sie öffnen sich für Personen von außen und Experten. "Langfristig wird es Berufsaufsichtsräte geben", glaubt Kickinger. "Denn Sie brauchen Spezialisten für Human Resources, für Finanzen, für Marketing und so weiter. Der ideale Aufsichtsrat setzt sich zusammen wie ein Puzzle."
Unbequem sein undFragen stellen
Doch was sollte ein Aufsichtsrat können? "Die größten Wissenslücken bestehen nur zu einem Teil in Recht und Wirtschaft", meint Susanne Kalss, Professorin am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der WU. "Wichtiger sind Lebens- und Wirtschaftserfahrung und die Bereitschaft, Zeit für die Tätigkeit im Aufsichtsrat aufzuwenden. Es geht letztlich weniger um Wissen als um Engagement." Stampfl-Blaha: "Man muss unbequem sein und sich nicht scheuen, Fragen zu stellen - auch wenn das mehr Arbeit bedeutet."
Stampfl-Blaha hat den "Governance Excellence" Lehrgang der WU besucht, der speziell auf die neuen Herausforderungen für Aufsichtsräte eingeht. "Die Rollen von Vorstand und Aufsichtsrat nähern sich an", sagt sie. Aufsichtsräte seien zunehmend an den strategischen Entscheidungen des Managements beteiligt, sie würden idealerweise die Strategie sogar mitbestimmen, meinen Kalss und Kickinger. Der Aufsichtsrat überwacht "präventiv", so Kalss. Dafür sind umfangreiche Kenntnisse notwendig und wesentlich mehr Zeit. Heute wenden Aufsichtsräte im Schnitt mehr als sieben Tage pro Jahr für ihre Tätigkeit auf, durchschnittlich 4,78 Mal im Jahr trifft sich der Aufsichtsrat, vier Sitzungen sind gesetzlich vorgeschrieben.
Der im Oktober 2011 zum vierten Mal stattfindende Lehrgang Governance Excellence an der Executive Academy der WU ist einer von wenigen universitären Angeboten im deutschsprachigen Raum, der auf die Aufgaben von Aufsichtsräten vorbereitet: In sechs Modulen werden Themen wie Risikomanagement und Human Resources von Wissenschaftlern und Praktikern abgedeckt. Von den 45 bisherigen Absolventen und 80 Teilnehmern sind die meisten Geschäftsführer oder in leitenden Positionen tätig. Die Betriebe würden von qualifizierten Aufsichtsräten und einer heterogeneren Zusammensetzung profitieren, sagt Kalss: "Es werden neue Aspekte, Sichtweisen in das Gremium und das Team eingebracht, es wächst eine neue Problemlösungskompetenz."
Heute geben 67 Prozent der Aufsichtsräte in der WU-Studie an, sie würden zwei Halbtage jährlich für Weiterbildung aufwenden. Allerdings: "Gemeinsame Fortbildungen im Unternehmen finden praktisch nicht statt, weder in fachlich-rechtlichen Fragen noch in den Bereichen Social Skills und Teambuilding", heißt es in der Studie. Anders als Deutschland hat Österreich keine "Fortbildungsobliegenheit" in den Corporate Governance Kodex aufgenommen. Qualifikation bleibt dem privaten Engagement von Aufsichtsräten überlassen.
Weiterbildung für Aufsichtsräte
Neben dem Governance Excellence Lehrgang an der Executive Academy der Wirtschaftsuniversität Wien, der im Oktober beginnt (www.executiveacademy.at), gibt es zahlreiche Seminare für potenzielle Aufsichtsräte. Auf der Plattform Inara sind Angebote zu finden (www.inara.at). Die Aufsichtsratsakademie (www.ars.at) startet am 27. September unter anderem mit Bilanzlesen und Haftung. Am 8. September startet der Lehrgang von WKO und incite "Aufsichtsrat und Stiftungsvorstand" mit Schwerpunkt auf Unternehmensstrategie, Investitionen und Finanzplanung. Alle Angebote richten sich an Menschen in Führungspositionen.