Ministerin für Halbe-Halbe in der EU-Kommission. | ÖVP-Frauenchefin Rauch-Kallat für Quoten in der EU. | Brüssel/Wien. Mit Krawatten und zum Teil aufgemalten Schnurrbärten protestierten 20 EU-Parlamentarierinnen am Mittwoch am Robert Schuman-Platz im Zentrum des Brüsseler EU-Viertels. Ihr Protest richtet sich gegen die künftige Zusammensetzung der EU-Kommission. Nur fünf bis sieben der 27 Kommissionsmitglieder sind derzeit für Frauen vorgesehen. | Interview mit Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer | EU-Topjobs: Spannung vor Entscheidungsgipfel
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Die Parlamentarierinnen sind nicht unbescheiden. Sie fordern die Funktion des EU-Ratspräsidenten oder des EU-Außenministers für eine Frau. Als EU-Ratspräsidentin käme für sie die frühere irische Präsidentin und Uno-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson in Frage.
"Es kann nicht sein, dass die EU-Grundsätze der Gleichberechtigung keine Rolle mehr spielen, wenn es um Postenbesetzungen und Macht geht", sagt die deutsche Grünen-Abgeordnete Ska Keller. Bei der Auswahl der männlichen Repräsentanten habe Kompetenz keine Rolle gespielt, sondern nur, wie sie ins Machtgefüge passten.
Unterstützung erhalten sie von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek: "Ich finde es gut, wenn sich die Frauen formieren." Um künftig zu vermeiden, dass sich Frauen ihre Teilhabe auf der Straße erkämpfen müssen, fordert die Frauenministerin Doppelnominierungen. Jeder EU-Staat müsste eine Frau und einen Mann als Kommissarin oder Kommissar nominieren. In einem weiteren Schritt müsste dann auf
EU-Ebene ein Auswahlverfahren kommen, das eine Halbe-Halbe-Aufteilung der 27 Kommissare garantiere.
Auch ÖVP-Frauenchefin Maria Rauch-Kallat versteht und begrüßt den Aufstand der Frauen in Brüssel: "Wie soll man nationale Regierungen von Frauenquoten überzeugen, wenn die EU-Kommission mit schlechtem Beispiel vorangeht?" Den Vorschlag, dass jedes Land sowohl eine Frau als auch einen Mann nominieren soll, hält Rauch-Kallat für akzeptabel und auch
für praktikabel. Das würde auch dem Kommissionspräsidenten das Argument nehmen, dass er gar keine andere Wahl habe.
Frauenministerin Heinisch-Hosek plädiert für Quoten: in der Politik wie auch in der Privatwirtschaft und auch auf europäischer Ebene. Sie bedauert gleichzeitig, dass das in Österreich legistisch nicht umsetzbar sei, da es dafür einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat bedürfte. Auch Rauch-Kallat strebt eine 50-Prozent-Quote im Nationalrat an. Sie wünscht sich, "dass das in den nächsten 10 bis 15 Jahren der Fall ist".
Finnland ist führend
Noch sieht es in Österreich mit der Frauenquote in der Politik schlecht aus, allerdings liegt sie über dem EU-Durchschnitt. Nur 51 der 183 heimischen Nationalratsabgeordneten sind Frauen, das ist eine Quote von knapp 28 Prozent (EU-Durchschnitt: 25 Prozent). In der Regierung liegt der Frauenanteil bei 36 Prozent (24 Prozent).
Ganz anders sieht es in Finnland aus, wo 60 Prozent der Regierungsmitglieder und 41 Prozent der Parlamentsabgeordneten Frauen sind. Schlusslicht in Europa ist Malta mit einem Frauenanteil von gerade einmal 8,7 Prozent im Parlament, immerhin ist die dortige Regierung zu 22 Prozent weiblich.
Die Politikwissenschafterin Melanie Sully hält die Einführung von Frauenquoten für "vorübergehend notwendig". Ohne ein entsprechendes Ranking auf Parteilisten und ein Sanktionsmodell bei Nichteinhaltung der Quoten würde dieses System aber wenig ausrichten.
Rauch-Kallat verweist darauf, dass die ÖVP im Statut erfasst hat, dass alle Positionen zu einem Drittel mit Frauen besetzt sein müssen. Allein - die Realität sehe anders aus. Sie ist sehr dafür, Sanktionsmöglichkeiten zu überlegen. Welche? Da müsse man kreative Lösungen finden.
Für Sanktionen ist auch die Frauenministerin. Denn schließlich gehe es um Macht. "Männer wollen ihre Machtstrukturen erhalten." Frauen müssten sich jetzt holen, was ihnen zustehe. Aber warum braucht es eigentlich Frauen in der Politik? Das sei sehr einfach zu beantworten, sagt Heinisch-Hosek. In Unternehmen, die einen hohen Frauenanteil in der Führungsebene hätten würde sich das ganz konkret auf die Ergebnisse niederschlagen.
ORF: 45-Prozent-Quote
Es gehe darum, dass Frauenanliegen automatisch mitgedacht würden, wenn Frauen etwas zu sagen hätten. "Und in der Politik geht es nicht zuletzt um den sozialen Frieden", betont die Frauenministerin.
Im ORF wird es künftig eine 45-Prozent-Quote für Frauen geben. Um die "Unterrepräsentation von Frauen an der Gesamtzahl der dauernd Beschäftigten und der Funktionen" zu beseitigen, hat die Regierung - trotz des Widerstands von ÖVP-Klubchef Kopf - die Frauenquote festgesetzt. Sich selbst hat die Politik von der Frauengleichstellung indes ausgenommen: Die Quote gilt nämlich nicht für Organe und Gremien, die direkt oder indirekt von der Politik besetzt werden: Stiftungsrat, Publikumsrat und Geschäftsführung.