Fundamentaler Demokratie-Schub in der Wiener Rechtsanwaltskammer: Bei den Kammer-Wahlen kommenden Mai wird erstmals in der Geschichte der Standesvertretung eine zweite Liste antreten. Ziel der Herausforderer: Das "Aufbrechen verknöcherter Strukturen", Reform des Standes- und Disziplinarrechts und eine bessere Öffentlichkeitsarbeit.
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"reformwahl.at" heißt das Wahlbündnis, das sich gestern mehreren hundert Anwaltskollegen im MAK-Café am Wiener Stubenring erstmals offiziell präsentierte. Für Elisabeth Rech und Michael Mathes, die im Mai für die Ämter der Vizepräsidenten kandidieren wollen, "war es bisher im alten System nicht möglich, Reformen durchzusetzen". Und Reform- und Handlungsbedarf - sind sich beide einig - gibt es genug: Beim Disziplinarrecht etwa, "einer Spielwiese für Querulanten". Oder bei den Kammerwahl-Modalitäten. Und auch bei der EU-Osterweiterung, auf die der Berufsstand nach wie vor ungenügend vorbereitet sei.
Zur Vorgeschichte: Schon vor zwei Jahren, als die Wahl des Rechtsanwaltskammerpräsidenten anstand, hatte es einen Knalleffekt gegeben: Statt dem langjährigen Präsidenten Peter Knirsch, der für die Einheitsliste "Sobranje" angetreten war, hatten die Anwälte Alternativkandidaten Harald Bisanz zum Präsidenten gekürt, der sich mit viel Tatendrang an die Arbeit gemacht hatte. Jetzt stehen im Mai die Wahlen der drei Vizepräsidenten und zehn der insgesamt 30 Ausschussmitglieder an.
Zurück ins MAK-Café, wo die "reformwahl"-Kollegen ihren "Sobranje"-Widersachern - mehr oder minder deutlich - Untätigkeit vorwarfen. Armin Bammer, einer von zehn Kandidaten für den Ausschuss, kritisierte, dass die Betreuung des öffentlichen Rechts brach liege: "Kein Standesvertreter der Anwälte sitzt im Österreich-Konvent. Was immer da herauskommen wird - es wird nicht unsere Handschrift tragen."
Jung gegen alt?
In den letzten Jahren hat sich das Durchschnittsalter der 1.873 Wiener Anwälte deutlich gesenkt. Wesentlich mehr Anwälte schlagen sich heute als "Einzelkämpfer" durch, sind nicht in großen Sozietäten organisiert. Auch wenn hervorgehoben wird, dass "reformwahl.at" keine Kampfansage an Ältere sondern ein Angebot an Jüngere darstellt, zeigt schon die Zusammensetzung der Liste, dass es sich um das Aufbegehren einer neuen Advokaten-Generation handelt. Rund um Rech und Mathes formieren sich Anwälte wie Gabriel Lansky, Werner Suppan oder - als einzige Frau neben Rech - Eva Maria Hausmann. Dass bei der Standespolitik der Anwälte einiges im Argen liegt, meinte auch Gastredner Alfred Worm: Wesentlich mehr Notare als Anwälte kämen mit dem Gesetz in Konflikt, trotzdem hätten erstere - aufgrund der besseren Öffentlichkeitsarbeit - das verlässlichere Image. Worm: "Notare sind bei jeder Gelegenheit präsent. Sogar im Fernsehen, wenn ein Paar Schlapfen verlost wird."