Derzeit kümmert sich ein Erwachsener um 25 Kleinkinder. | Gemeinsame Lehrerausbildung laut Schmied auch für Kindergärtner. | Wien. Die Kindergartenpädagoginnen üben den Aufstand. Am Samstag ziehen sie in einer Demonstration auf der Wiener Ringstraße von der Votivkirche zum Parlament. Ihre Forderungen: Bessere Bezahlung und Ausbildung, ein besseres Betreuungsverhältnis sowie ein Bundesrahmengesetz für die Kindergärten.
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Das monatliche Bruttogehalt einer Kindergärtnerin orientiert sich derzeit am Gehalt für Erzieherinnen des Bundes, das im ersten Dienstjahr bei 1640 Euro, nach 36 Jahren bei 3220 liegt. Allerdings sind die Kindergärten Ländersache, die Entlohnung variiert daher von Land zu Land, einen Kollektivvertrag gibt es nicht. Laut Raphaela Keller vom Dachverband der Kindergarten- und Hortpädagoginnen liegt das tatsächliche Einstiegsgehalt bei 1100 bis 2100 Euro brutto. Zum Vergleich: Ein AHS-Lehrer verdient als Anfänger 2100 Euro, nach 36 Jahren 4900 Euro brutto.
Entscheidung fürBerufsweg zu früh
Freilich, AHS-Lehrer haben eine universitäre Ausbildung, während Kindergartenpädagoginnen "nur" die fünfjährige Bakip (Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik) auf Maturaniveau abschließen. Aber genau das ärgert die Kindergärtner: "Mit 14 eine Entscheidung treffen zu müssen ist absurd", sagt Keller. Sie fordert eine gemeinsame Basisausbildung auf Universitätsniveau für alle Pädagogen. Danach müsse eine Spezialisierung in Modulen möglich sein.
Auch beim Betreuungsverhältnis zeichnet sie ein düsteres Bild: Derzeit käme bei den Drei- bis Sechsjährigen durchschnittlich ein Pädagoge auf 25 Kinder - das entspricht dem gesetzlich vorgegebenen Betreuungsverhältnis. Keller fordert demgegenüber eine Pädagogin für acht Kinder, wie dies auch internationale Experten vorsehen würden. Bei den Unter-Dreijährigen liege das Betreuungsverhältnis (1:10,7) ebenfalls weitab der OECD-Empfehlungen (1:3 bis 1:5) - "und das bei einer Gruppe, die noch mehr persönliche Betreuung braucht", so Keller.
Länderkompetenz:"Haben keine Lobby"
Schließlich wollen die Pädagoginnen ein Bundesrahmengesetz für die Kindergärten, in dem Mindeststandards bundesweit einheitlich festgelegt werden sollen. Denn auch die Länderkompetenz bereite den Kindergärtnern Probleme: Keiner fühle sich für ihre Forderungen zuständig. Deutlich wird das, wenn man die Kindergartenpädagogen nach ihrer Gewerkschaft fragt: Für einen Teil ist die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, für einen anderen die GPA-djp, für wieder einen anderen die GÖD zuständig. "Wir haben keine Lobby", sagt Keller.
Auch ÖVP-Familienstaatssekretärin Christine Marek verweist darauf, dass die Kindergärten nun einmal Ländersache seien. Sie habe sich bei der Regierungsbildung zwar für ein Bundesrahmengesetz eingesetzt, "aber das war zum damaligen Zeitpunkt nicht machbar". Die Kritik der Kindergärtner richtet laut Marek hauptsächlich an die Stadt Wien: Durch das Gratisangebot für Null- bis Sechsjährige sei "das Kinderbetreuungsnetz offensichtlich überlastet".
Immerhin erhalte Wien vom Bund in den Jahren 2008 bis 2013 mehr als 77,5 Millionen Euro für die Kindergärten, so Marek.
Nicht nur Wien fordert mehr Geld vom Bund, auch die anderen Länder und Gemeinden klagen über Geldmangel. Die zur Verfügung gestellten 70 Millionen Euro für das Gratis-Kindergartenjahr "reichen an allen Ecken und Enden nicht aus", sagte jüngst Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer. Eine Verlagerung der Kompetenz für die Kindergärten auf Bundesebene scheint aber nicht angedacht zu sein.
In einem Punkt hat der Bund allerdings bereits reagiert: Anfang November versendete Unterrichtsministerin Claudia Schmied einen bundesweiten Rahmenplan für die Kindergärten. Darin finden sich vor allem Anleitungen für die tägliche Arbeit und die optimale Förderung von Kleinkindern.
Kindergärten sollen "Chefsache" werden
Pädagogin Keller hält Schmieds Rahmenplan zwar für "sehr gut". Allerdings: "Wie soll das bei diesen Rahmenbedingungen beachtet werden?"
Auch die Ausbildungssituation will Schmied verbessern: Der Plan für eine gemeinsame Lehrerausbildung, der bis Ende des Jahres vorliegen soll, werde auch die Kindergartenpädagogen einbeziehen, heißt es aus dem Ministerbüro.
Die Pädagoginnen wollen jedenfalls nicht locker lassen und ihre Probleme zur "Chefsache" erklären. Zu diesem Zweck gibt es laut Keller bereits Termine mit Kanzler und Vizekanzler, bei denen auch gesammelte Unterschriften vorgelegt werden sollen. Für kommenden Frühling sind dann weitere Demonstrationen geplant.