Unmut über Gotteskrieger wächst - immer mehr Dorfälteste wenden sich ab.
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New York/Berlin. Nimmt der Einfluss der radikal-islamischenTaliban in Afghanistan ab? Glaubt man einem Bericht der "New York Times", regt sich Unmut in der Bevölkerung über die strengen Gotteskrieger. Ausgerechnet im Süden des Landes, der als Hochburg der Taliban gilt, sei - pünktlich zu Frühlingsbeginn, an dem stets neue Kämpfe aufflammten - ein Aufstand gegen die Krieger von Taliban-Chef Mullah Omar ausgebrochen. Als letzten Monat ein Taliban-Kommandant in einem Dorf nahe der Stadt Kandahar einen jungen Mann, der von den Taliban der Spionage verdächtigt wurde, abholen wollte, entschloss sich dessen Vater zum Widerstand. Er hatte Erfolg: Die Taliban wurden von den Dorfbewohnern, die sich dem Mann angeschlossen hatten, vertrieben. Der Widerstand im Bezirk Panjwai steckte inzwischen weitere Dörfer an: "Fast hundert Dorfälteste haben bei einem Treffen geschworen, die Taliban am Beginn der neuen Kampfperiode draußen zu halten", berichtete das Blatt.
Das ist neu: Noch nie hat es im Süden des Landes, wo der Einfluss der Taliban immer sehr stark war, einen derartigen Aufstand gegen die Gotteskrieger gegeben. Der Grund für den Widerstand der Dorfbewohner dürfte im brutalen Vorgehen der Taliban zu suchen sein: Zwischen 300 und 400 afghanische Zivilisten sollen in den letzten Monaten durch Taliban-Bomben gegen Regierungs- und Nato-Truppen getötet worden sein. "Die Leute haben genug von den Taliban", sagte Robert Abrams, der US-Kommandant für den Süden Afghanistans.
Dass deshalb das Ende der Gotteskrieger eingeleitet ist, glaubt Nils Wörmer von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin nicht. "In den letzten Jahren schon haben sich Dorfälteste immer wieder gegen die Taliban gestellt", sagt der Experte, der als Hauptmann und Wissenschaftler in Afghanistan stationiert war, der "Wiener Zeitung". Nicht unbedingt aus ideologischen Gründen - "da ging es darum, die Einwohner von Dörfern zu schützen. Schließlich mussten die Dorfgemeinschaften Luftschläge der Nato befürchten, wenn sie Taliban beherbergen", sagt Wörmer. Viele der aufständischen Dörfer seien dann aber bald wieder von den Taliban kassiert worden, gibt der Experte zu bedenken. Um nicht zwischen die Fronten zu geraten, hätten sich auch immer wieder unabhängige Dorfmilizen gebildet, die strenge Äquidistanz sowohl zu Nato und afghanischer Regierung als auch zu den Taliban gehalten hätten: "Die schützen einfach ihren Bereich".