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Auftakt zu einem politischen Experiment

Von Bettina Resl

Gastkommentare
Bettina T. Resl ist Stellvertretende Vorsitzende des Hildegard Burjan Instituts - Verein zur Förderung der politischen Bildung. Von 2005 bis 2011 war sie als Kabinettsmitarbeiterin im Gesundheits- und im Wissenschaftsministerium tätig.
© privat

Der Frauenanteil in der neuen Regierung ist sehr hoch. Aber werden sie auch punkten können?


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Nun ist es wohl so weit. ÖVP-Chef Sebastian Kurz scheint schon wieder etwas gelungen zu sein, das ihm wohl selbst in seinen eigenen Reihen nicht zweifelsfrei zugetraut wurde. Nicht neu, aber trotzdem nach wie vor außergewöhnlich, was zuletzt unter Wolfgang Schüssel in einer Koalition mit Jörg Haiders BZÖ gelungen ist: eine Bundesregierung, die zu 50 Prozent aus Frauen besteht. Trotzdem gelingt es Kurz auch damit, in die Geschichtsbücher einzugehen.

Die Besetzung des Verteidigungsressorts mit einer Frau könnte freilich auch boshaft interpretiert werden: Wenn es nichts mehr zu gewinnen gibt, dann darf auch einmal eine Frau ran. Aber wohl eher traut man Klaudia Tanner als Einziger zu, "den Laden noch auf Vordermann bringen" zu können. Und das ist auch dringend notwendig; falschverstandene Ideologie und der Hang zu Putin’scher Inszenierung haben den Blick aufs Wesentliche verstellt: eine funktionierende Landesverteidigung - im Wortsinn - in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union.

Doch zurück zur Inszenierung der neuen Bundesregierung beziehungsweise ihrem Namedropping. Unaufgeregt erfolgte die mediale Berichterstattung zu Gernot Blümel, Karl Nehammer, Heinz Fassmann, Rudi Anschober, aber auch Alexander Schallenberg, dem wohl ein eher bescheidenes Portfolio zu verwalten übrig bleibt; die Rollen von Kurz und Werner Kogler müssen nicht extra erwähnt werden, da politisch logisch.

Dieser Logik folgt wohl auch die Besetzung mit des neu geschaffenen Europaministeriums im Bundeskanzleramt Karoline Edtstadler. Alle weiteren weiblichen Newcomer mögen vielleicht teilweise bekannt sein, doch wie gut sie in weiterer Folge reüssieren werden, wird wohl davon abhängen, wie wichtig es Kurz ist, dass seine Ministerinnenschaft punkten darf - dies gilt gleichermaßen für türkise wie auch grüne Ministerinnen. Auch wenn Kogler bereits seit Jahrzehnten in der Politik tätig ist: Seine Rolle als Vizekanzler wird ihn gut beschäftigen. Die grünen Ministerinnen, allen voran Super-Ministerin Leonore Gewessler, Alma Zadic und Eva Blimlinger werden eher auf sich gestellt sein, ministeriell Fuß zu fassen. Von Global 2000 kommend, wird es Gewessler außerdem nicht leicht gemacht werden - und das sicher in erster Linie von der eigenen Community.

Gehypt zu werden, mag anfänglich schmeicheln, doch was Susanne Raab als Integrationsministerin ausrichten mag und ob sie die Herausforderungen nachhaltig positiver Zuwanderungspolitik stemmen kann, wird sich noch weisen. Neben Nehammer wird sie wohl unter ganz genauer Beobachtung der FPÖ stehen und im heurigen Wien-Wahlkampf besonders gefordert sein. Die Schaffung eines eigenen Integrationsressorts ist sicherlich das stärkste Zeichen dieser neuen Bundesregierung; die Besetzung mit einer Expertin, aber auch Hardlinerin wie Raab ist ein klares Signal in alle politischen Richtungen.

Die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts beginnen in Österreich mit einem politischen Experiment; es mag ein Wagnis sein, aber die Vorzeichen klingen vielversprechend.