Die Budgetverhandlungen der EU-Staaten haben ihre eigene Theatralik.
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Brüssel. Die Szenerie steht. Im Zuschauerraum wird ein letztes Mal der Boden gekehrt. Die Sesselreihen sind bereits zurechtgerückt. Die Protagonisten können eintreffen. Dem Publikum kommt dabei eine seltsame Rolle zu - das Spiel findet nämlich hinter den Kulissen statt; nur ab und zu dringen Fetzen des Gesagten von der Bühne im Hintergrund in den großen vorderen Saal. Dennoch ist die Zuhörerschaft auch Teil der Show. Die Hauptakteure: 27 Staats- und Regierungschefs sowie der Mann, der ihren Auftritt lenken soll, der Ratspräsident. Das Stück, das gegeben wird: Ringen ums Geld für die EU. Es wird lange dauern. Länger als das siebenstündige "Sportstück" von Elfriede Jelinek, die halbtägigen Dostojewski-Inszenierungen des polnischen Regisseurs Krystian Lupa und sogar länger als der 24-stündige "Faust"-Marathon von Peter Stein. Zwei Tage werden es sicher werden, vielleicht auch drei. Es wird Drohungen geben, Beteuerungen, Versprechen, Enttäuschungen; es wird Beleidigte geben und mehr oder weniger Unzufriedene. Das Publikum, die Journalisten, werden mehr erahnen denn erfahren, was sich im Hintergrund abspielt.
Budgetverhandlungen haben - bei aller Ernsthaftigkeit - ihre eigene Theatralik. Sie folgen einer Dramaturgie, entwickeln eine Dynamik, wo die schnelle Abfolge von Rede und Gegenrede, Vorschlag und Reaktion einander abwechseln mit Momenten des Stillstands. Das ist in jedem Land so - und bei 27 Staaten sorgt es für noch mehr Spannungen. Denn jede Regierung will bei der Verteilung der Mittel für die Jahre 2014 bis 2020 die Wünsche des eigenen Landes so weit wie möglich erfüllt wissen.
Umstrittene Kürzungen
Für diesen Zeitraum soll nun ein finanzieller Rahmen festgelegt werden, innerhalb dessen die jährlichen Budgets fixiert werden. Es geht dabei um rund eine Billion Euro. Die EU-Kommission hatte für die sieben Jahre Finanzierungszusagen in Höhe von knapp 1048 Milliarden Euro gefordert; die tatsächlichen Auszahlungen würden sich auf etwas mehr als 980 Milliarden Euro belaufen.
Zypern, das derzeit den EU-Vorsitz innehat, hat daraufhin Kürzungen vorgeschlagen, und schließlich legte Ratspräsident Herman Van Rompuy seinen Kompromissentwurf vor. Der sieht einen Etat vor, der um rund 80 Milliarden Euro schlanker ist als von der Kommission gewünscht. Das würde 1,01 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens bedeuten - und eine reale Verringerung der Ausgaben gegenüber dem jetzigen Finanzrahmen.
Van Rompuy war es auch, der die Staats- und Regierungschefs zu dem Sondergipfel geladen hat, der am heutigen Donnerstag beginnt. Das einzige Thema des Treffens ist der Haushaltsplan; das Ziel ist eine Einigung darauf. Die Aussichten auf Erfolg werden unterschiedlich bewertet, und die Stimmungslage änderte sich zuletzt von Tag zu Tag. "Es wird kein gewöhnlicher Gipfel", hieß es denn auch aus dem Umfeld des Ratspräsidenten. Es werde viele Unterbrechungen geben. "Und dann werden wir sehen."
Tauziehen um Förderungen
Immerhin schien es Van Rompuy gelungen zu sein, mit seinem Kompromisspapier die Fronten ein wenig aufzuweichen - wenngleich auch sein Text, wie alle anderen Vorschläge, für Unmut gesorgt hat. Jenen Staaten, die mehr ins Budget einzahlen, als sie an Förderungen zurückbekommen, stehen nämlich Länder entgegen, die sich vehement gegen Einsparungen bei der Kohäsionspolitik aussprechen. Diese stellt beispielsweise Geld für den Ausbau der Infrastruktur bereit. Und während die Nettozahler auf Sparzwänge verweisen, würde die Empfängerländer der Verlust von Fördermitteln teils stark treffen. In Ungarn etwa stützt sich so gut wie die gesamte Infrastruktur-Politik auf finanzielle Hilfe der EU.
Doch die Nettozahler können ebenfalls profitieren. Daher verteidigen Frankreich und Italien die Agrarsubventionen, und Großbritannien pocht auf seinen Beitragsrabatt. London hatte auch am lautesten mit einem Veto gegen den Etatplan gedroht. Trotzdem sprachen EU-Diplomaten zuletzt von der Bereitschaft der Briten, zu einer Einigung zu kommen. Van Rompuy will zunächst mit jedem Regierungschef einzeln reden. Die Bühne für die gemeinsamen Verhandlungen betreten alle zusammen erst am Abend.
Feilschen um eine Billion Euro
Bei den Verhandlungen um die künftigen Ausgaben der EU wächst der Druck auf die Europäer, zu einer Einigung zu kommen. Diese ist das Ziel eines Sondergipfels, der Donnerstag beginnt. Die Staats- und Regierungschefs werden dabei über den finanziellen Rahmen für die Jahre 2014 bis 2020 beraten; es geht um eine Summe von rund einer Billion Euro.