Kanada und Dänemark legen ihre Grenze fest und regeln damit den Rohstoffzugang.
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Kopenhagen/Ottawa.
Villy Soyndal war sichtlich stolz. "Dänemark und Kanada zeigen, dass man Meinungsverschiedenheiten friedlich regeln kann. Das würde man sich auch für den Rest der Welt wünschen", sagte der dänische Außenminister im Rundfunksender DR.
Was Soyndal nun so stolz macht, war allerdings alles andere als einfach zu erreichen. Seit den 1970er Jahren war die Grenzziehung zwischen Kanada und Grönland, dessen außenpolitische Agenden von Dänemark vertreten werden, Gegenstand heftiger Debatten. Bevor man sich nun auf den exakten Verlauf einigte, wurde mehrere Jahre lang verhandelt. Angesichts des Fischreichtums in den Gewässern vor Grönland und den vor der Küste vermuteten gigantischen Rohstoffvorkommen beäugten die beiden Länder jeden auf dem Tisch liegenden Kompromissvorschlag argwöhnisch.
Doch Zeit für langwierige Verhandlungen haben die Arktis-Anrainer immer weniger. Fast schon im Wochentakt trudeln aus der Polarregion Meldungen über die immer weiter voranschreitende Eisschmelze ein, durch die auf einmal auch bisher unzugängliche Rohstoffquellen erschlossen werden können. In diesem Sommer war erstmals in der Geschichte die gesamte Eisfläche in Grönland angetaut; selbst an der Summit Station, die 3200 Meter über dem Meer liegt, wurde eine Schmelze registriert. Setzt sich die Entwicklung fort, könnte Wissenschaftern zufolge sogar der Nordpol in den nächsten 30 Jahren während des Sommers eisfrei sein.
Die großen Rohstoffunternehmen scharren angesichts der zunehmenden Erderwärmung schon lange in den Startlöchern. Bereits jetzt sind 30 zumeist ausländische Explorationsunternehmen in Grönland tätig, die in den nun leichter zugänglichen Gebieten nach möglichen Standorten für neue Minen und Bohranlagen suchen. Derzeit ist die Saison allerdings noch kurz, gearbeitet werden kann nur von Mitte Mai bis Anfang Oktober. Zudem haben unklare Grenzverläufe in vielen Fällen Explorationsarbeiten unmöglich gemacht. Trotz aller Schwierigkeiten wittern die Rohstoffriesen aber dennoch ein lukratives Geschäft. In der Arktis lagern nach Ansicht von US-Experten 30 Prozent der noch unentdeckten Erdgasvorräte der Erde, beim Erdöl sollen es 13 Prozent sein. Daneben gibt es reiche Vorkommen an Gold, Silber, Zink und Kupfer.
Eine Frage des Sockels
Der immense Reichtum der vermuteten Rohstoffvorkommen hatte vor allem in den vergangenen fünf Jahren zu massiven Spannungen zwischen den fünf Arktis-Anrainerstaaten geführt. Immer wieder wurden dabei Forschungsexpeditionen ausgeschickt, um die eigenen Gebietsansprüche mit geologischem Datenmaterial zu untermauern.
Gestritten wird dabei vor allem um die sogenannten Festlandsockel. Denn laut dem internationalen Seerechtsübereinkommen der UNO dürfen Staaten nur jenes Seegebiet exklusiv wirtschaftlich nutzen, das bis zu 200 Seemeilen (rund 370 Kilometer) vor ihren Küsten liegt. Können die Regierungen aber die Existenz eines darüber hinaus reichenden Festlandsockels nachweisen, kann die entsprechende UNO-Behörde die Erweiterung dieser Ausschließlichen Wirtschaftszone beschließen. Besonders umstritten ist dabei der Lomonossow-Rücken, der von Moskau als in der Tiefe liegende Fortsetzung des russischen Festlandes angesehen wird, aber auch von Dänemark beansprucht wird. Schon 2007 hatte Russland seine Ansprüche in der Region mit einer recht eigenwilligen Aktion unterstrichen. Ein Kleinst-U-Boot rammte damals eine russische Flagge in 4300 Meter Tiefe in den Meeresboden.
Wirklich entspannt hat sich die Situation bisher nicht. Alexander Postnikow, General der russischen Bodenstreitkräfte, kündigte erst im vergangenen Jahr an, die eigenen Streitkräfte um eine "arktische Brigade" auszubauen. Und auch das nunmehrige Tauwetter zwischen Dänemark und Kanada könnte sich möglicherweise noch in eine kleine Eiszeit verwandeln. Nach wie vor ungelöst bleibt nämlich die Frage, wie die Einnahmen aufgeteilt werden sollen, wenn die Erdöl- und Gasfelder grenzüberschreitend verlaufen.