Staat feierte sich bei Rettung selbst. | Regierung ist medial omnipräsent. | Copiapó/Wien. Chiles Präsident Sebastián Piñera auf den Titelseiten der Weltpresse. Das letzte - und wahrscheinlich auch einzige - Mal, als es das gegeben hat, war bei seiner Wahl zum Staatsoberhaupt im Jänner. Damals hat der Mann, der zu den 700 reichsten Menschen der Welt gehört, nach 20 Jahren in Chile die linke Dominanz gebrochen. Eines seiner Markenzeichen: Reden, in denen er gerne Gott anruft, wobei er theatralisch aufblickt und die Arme gen Himmel streckt.
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Theatralik dieser Art verwendete er auch während der langwierigen Rettung der Arbeiter aus der Mine San José. Das passt, schließlich ist deren Bergung in Chile von der Regierung als eine Show der Superlative inszeniert worden. Das Bild von Piñera ging um die Welt, als er das erste Lebenszeichen der eingeschlossenen Minenarbeiter in Form eines an die Oberfläche geschickten Zetterls präsentierte.
Da der richtige Zeitpunkt bei einer guten Show sehr wichtig ist, sah das Publikum die Tatsache nach, dass aus Rücksicht auf eine wirksame Inszenierung die Präsentation um ein paar Stunden verzögert wurde.
Seit damals hat das Ereignis noch zusätzlich an Dynamik gewonnen. Kaum ein Detail über die Rettung, das die Öffentlichkeit nicht erfuhr: Von den Schutzbrillen, die die Geretteten tragen würden, über die technischen Details der Bohrungen bis hin zum Minenbau in Chile wurde alles nur Erdenkliche berichtet.
An der Spitze der Inszenierung steht Piñera selbst. Rund um ihn sind seine Minister und das Heer der 1600 Journalisten, die aus der ganzen Welt für das dramatische Ereignis angereist sind. Hier sieht man Gesundheitsminister Jaime Manalich an der Spitze des Ärzteteams, das für die Bergleute bereitsteht, dort fachsimpelt Bergbauminister Laurence Golborne mit Experten über die Bergung.
Lob des Präsidenten
"Großartige Arbeit, großartige Arbeit", rühmt Präsident Piñera immer wieder den reibungslosen Ablauf - und damit indirekt auch sich selbst. Denn das schnelle Handeln und richtige Eingreifen werden ihm im Land hoch angerechnet.
Beim Erdbeben, das Chile vor wenigen Monaten erschüttert hat, stand noch die Tragödie im Mittelpunkt. Diesmal hat sich der Präsident dazugesellt. Vor der Mine San José feiert der Staat. Das beginnt für die Minenarbeiter bei der Rettungskapsel, die mit der chilenischen Nationalfahne bepinselt ist, und endet zumindest für die Ersten nach der Bergung an der Brust des Präsidenten, der an der Oberfläche auf sie mit offenen Armen wartet.
Ein chilenischer Journalist zieht bereits Parallelen zur Fußball-Weltmeisterschaft. Auch bei der setzte sich der Präsident mit der überraschend erfolgreichen Elf in Szene und deren Glanz strahlte auf Piñera ab, der in den Umfragen wieder ein paar Prozentpunkte zulegte. Das hat schon seinerzeit bei Frankreichs Präsident Jacques Chirac gut geklappt, als die Équipe Tricolore 1998 Weltmeister wurde.
Diesmal allerdings, warnen viele Experten, könnte dieser Rummel auf Kosten der Gesundheit der geretteten Minenarbeiter gehen. Denn die mediale Aufmerksamkeit dürfte einige von ihnen überfordern (siehe unten stehenden Artikel).
Doch das ist derzeit nebensächlich. Denn das Land erhält aufgrund der professionellen und erfolgreichen Bergung positive Publicity in der Welt und der Präsident kann sich über ein paar zusätzliche Beliebtheitspunkte freuen.