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Ex-Finanzminister offenbarte im eine legere Amtspraxis.
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Wien. Grasser vor Gericht. Das ist mittlerweile ein Klassiker moderner politischer Geschichtserzählung im Nachhall der schwarz-blau-orangen Regierung. Wobei Karl-Heinz Grasser bisher immer nur Kläger war, noch nie als Angeklagter vor Gericht erscheinen musste. Dies könnte sich in den Causen Buwog und Linzer Terminal Tower zwar ändern, aber das ist Angelegenheit der Zukunft.
Die Gegenwart bescherte Grasser eine Einladung als Zeuge im Fall einer mutmaßlich zweckwidrig verwendeten Förderung durch die Bundesliga im Jahr 2004, als Grasser Finanzminister und sein Ex-Parteifreund Peter Westenthaler Vorstand der Bundesliga war. Die Förderung über eine Million Euro trug den Titel einer Nachwuchsförderung, verwendet wurde sie, sagt die Anklage, zur Begleichung einer Finanzschuld bei der Republik. Westenthaler sowie sein damaliger Vorstandskollege Thomas Kornhoff sind wegen Betrugs angeklagt, sie erklärten sich für unschuldig.
Dass Grasser mittlerweile Routine bei Verhandlungen hat, offenbarte auch die juristische Rhetorik, der sich der Finanzminister a.D. bediente. Begriffe wie "glaublich" oder die Antwort "Ich habe keine Wahrnehmung dazu" werden außerhalb eines Gerichtssaals eher selten verwendet.
Das Leid der Liga
Wie in so manchen juristischen Aufarbeitungen nach Schwarz-Blau, etwa in Telekom-Prozessen, tauchte Grassers Name auch hier immer wieder während der Verhandlung auf, geladen wurde er aber erst nachträglich auf Antrag eines Verteidigers. Wie nicht anders zu erwarten, wurde es ein kleines Medienereignis, aber auch die Zuschauerplätze waren gut besucht, so lauschte auch eine versammelte Schulklasse den Ausführungen Grassers, der im schwarzen Anzug mit blauer Krawatte und dazu passendem Stecktuch kam, beziehungsweise: erschien. Ein modischer Hinweis auf jene politische Ära, die Grasser entschieden mitgeprägt hat?
Grasser war in die Förderung der Bundesliga zu einem frühen Zeitpunkt involviert, da Westenthaler seinen alten Parteifreund aufsuchte, um ihm das Leid der Liga zu klagen. Denn die hatte, vor Westenthalers Zeit, dem insolventen FC Tirol Geld ausbezahlt, das sie der Finanz hätte überweisen sollen. Die Republik klagte den ausbezahlten Betrag ein, was für die Liga und ihre notorisch klammen Mitglieder, die österreichischen Profi-Fußballklubs, ein erhebliches Problem darstellte.
Eine genaue Erinnerung an jenes Treffen hatte Grasser nicht. Doch als der Vorsitzende des Schöffengerichts, Wolfgang Etl, eine Aussage Westenthalers vorlas, die mit drastischen Schilderungen samt deren Konsequenzen (Insolvenz der Liga, Demonstrationen der Klubs vor dem Finanzministerium) gespickt war, musste Grasser schmunzeln. Nein, eine konkrete Erinnerung habe er nicht, aber es "klingt sehr realistisch". Es klang eben nach Westenthaler, dem Mann fürs Grobe in der FPÖ und später dem BZÖ.
Hoher Besuch im Gericht
Grasser sagte im Zeugenstand, dass er Westenthaler an die Finanzprokuratur weiterleitete, er sollte dort vorsprechen. "Wir haben längere Zeit zusammengearbeitet, das war der Grund, warum ich nicht in dieser Frage entscheiden wollte." Mit der Finanzprokuratur, dem Anwalt der Republik, hatte die Liga aber ohnehin wegen der Klage zu tun.
Grasser war nicht der erste Ex-Politiker, der bei diesem Verfahren als Zeuge geladen war, auch Altkanzler Wolfgang Schüssel und Ex-Staatssekretär Karl Schweitzer sowie deren engste Mitarbeiter wurden bereits befragt, Grassers Kabinettschef Matthias Winkler wird als letzter Zeuge am 13. Jänner erscheinen. An diesem Tag soll auch das Urteil gesprochen werden.
Es ist nach wie vor ein verworrenes Bild, denn wirklich klar wurde in dem Prozess nicht, was genau auf politischer Ebene lief und warum. Dass Schweitzer gegen diese Förderung war, ist dokumentiert und wurde von diesem auch bestätigt. Ansonsten wird der Ball der Verantwortung von einem Ressort ans nächste gespielt, von politischer Seite an die Ebene der Beamten (und wieder zurück).
Laut Grasser kam die Anweisung für die Förderung aus dem damals für Sport zuständigen Bundeskanzleramt, das heißt von Schüssel. Sie wurde in das Budgetüberschreitungsgesetz aufgenommen. "Das hat uns einige Minuten gekostet, es war kein politischer Streitpunkt, keine relevante Budgetposition, das wurde dann von den Beamten abgewickelt", sagte Grasser. Die eine Million mehr oder weniger spielte offenbar zumindest für die Politik keine wesentliche Rolle. "Das Budgetvolumen war um die 60.000 Millionen Euro", so Grasser.
Notfalls Schuldenerlass
Einen Zusammenhang zwischen der Nachwuchsförderung (1 Million Euro) einerseits und der Schuldenrückzahlung der Liga andererseits (1,2 Millionen Euro), den die Anklage herstellt, wollte Grasser nicht erkennen. Hätte man der Liga finanziell helfen wollen, hätte man nicht auf diese Konstruktion zurückgreifen müssen, erklärte der ehemalige Finanzminister. "Ich bin mir sicher, dass die Regierung der Liga diese Schuld erlassen hätte, wenn sie gewollt hätte. Ich gehe auch davon aus, dass ich das allein hätte entscheiden können", sagte Grasser. Ob er tatsächlich das Pouvoir gehabt hätte, ist aber fraglich. Und ein eigenes Gesetz für die Erlassung der Schuld der Liga zu beschließen, wie Grasser dann insinuierte, wäre politisch wohl schwer durchsetzbar gewesen.
Interessant ist, dass die Beamten im Finanzministerium wenig begeistert über die Förderung waren - dies wird durch ein "Leider" in einer internen Kommunikation auf Beamtenebene dokumentiert -, Grasser hatte als Finanzchef jedoch weniger Probleme mit der Förderung. Ganz anders im Sportressort. Dort lobte der damals zuständige Sektionsleiter die Förderung und das Nachwuchsprogramm des ÖFB und der Liga, während sich sein Chef, Schweitzer, sogar weigerte, den entsprechenden Beschluss des Nationalrats zu unterschreiben. Es ist weniger das sachlich begründbare Motiv dieser Förderung, als deren Genese auf politischer Ebene, die Fragen aufwirft. Und zwar auch nach zehn Prozesstagen.