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Auftritt mit einem Jahr Verspätung

Von Alexander Dworzak

Politik

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hält heute eine Video-Ansprache vor den Abgeordneten des Nationalrats. Die FPÖ spricht von einem "Tabubruch" - die jahrelangen engen Bande der Freiheitlichen mit Russland wirken nach.


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Betont nüchtern und sachlich präsentiert der Pressedienst der Parlamentsdirektion die wichtigsten Ereignisse des Tages. Für den heutigen Donnerstag sind uneingeschränkter Zugang für Ukrainer zum österreichischen Arbeitsmarkt, Nachzahlungen an Mindestpensionisten oder Rechnungshofberichte zu Cybersicherheit und zur Grundversorgung von Flüchtlingen genannt. Der aufsehenerregendste Teil des heutigen Tages findet jedoch außerhalb der Tagesordnung statt und wird von der Parlamentskorrespondenz als Randnotiz erwähnt: In der Früh hält der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Videoansprache vor den Abgeordneten.

Es ist ein später Auftritt des Staatschefs: Seit Russlands Überfall auf die Ukraine vor mehr als einem Jahr hat Selenskyj vor jedem Parlament der EU-Länder gesprochen mit Ausnahme von Bulgarien, Ungarn und Österreich. In Budapest verfügen die Regierungsparteien über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, Premier Viktor Orban zählte über Jahre zu den wichtigsten EU-Verbündeten von Russlands Machthaber Wladimir Putin. In Bulgarien sind Waffenlieferungen an die Ukraine eines der wichtigsten Themen vor der fünften Parlamentswahl binnen zwei Jahren. Mehrere prorussische Kräfte werden in die Nationalversammlung in Sofia einziehen.

Im Wiener Nationalrat bemühten sich die Neos bereits im März 2022 um eine Rede Selenskyjs. Die SPÖ verwies damals auf Neutralitätsbedenken und dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Einladung aussprechen müsse. Allerdings machte Sobotka Einvernehmen der Fraktionen zur Bedingung für eine Einladung, und die Freiheitlichen lehnten eine Ansprache Selenskyjs vehement ab. Vergangene Woche präsentierte Sobotka seine Einladungs-Pläne der Präsidiale. Abstimmung gab es keine, berichtete damals die Austria Presseagentur, da es sich ja um keine Plenarsitzung handle, sondern formal um eine Veranstaltung vor dem Plenum.

Die Freiheitlichen sprechen von einem "Taschenspielertrick" Sobotkas, sie bleiben bei ihrem Nein zu einer Bühne für Selenskyj: "Die Rede eines Vertreters einer kriegführenden Partei im Herzen unserer Demokratie ist ein absoluter Tabubruch", sagte FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Er ortet den "vorläufigen Höhepunkt der sukzessiven Aushöhlung der in unserer Bundesverfassung festgeschriebenen Neutralität".

Stattdessen sollte sich Österreich als Vermittler einbringen und so einen Beitrag zu Friedensverhandlungen leisten, fordert Kickl. Doch aus dem Kreml sind keinerlei Anzeichen für einen Friedensschluss zu vernehmen, schon gar nicht planen russische Truppen, sich aus der überfallenen Ukraine zurückzuziehen.

Kickl nicht begeistert

Auch wenn Kickl den "russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt": Wie Kriegstreiber Putin an einem Sieg gehindert werden kann, steht nicht auf der freiheitlichen Agenda. Mit dem Machthaber im Kreml und dessen Partei Einiges Russland verbindet die FPÖ eine lange Zusammenarbeit. Ob der 2016 für zunächst fünf Jahre geschlossene Kooperationsvertrag beider Parteien noch in Kraft ist, darüber herrscht bis heute Unklarheit. Denn der Vertrag verlängert sich automatisch um weitere fünf Jahre, sofern er nicht ein halbes Jahr vor Ablauf 2021 gekündigt worden ist. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sagte im Februar, es bestehe gar kein Vertrag, sondern nur eine Absichtserklärung mit der Putin-Partei. Und die Vereinbarung besitze keine rechtliche Wirkung. Offenlegen will die FPÖ das Abkommen nicht.

Parteichef Kickl galt nie als Freund allzu enger Bande der FPÖ nach Russland - und auch nicht nach Serbien. Er war auch nicht Teil des berühmten Fotos auf dem Moskauer Roten Platz 2016. Es posierten der damalige Parteichef, Heinz Christian Strache, dessen Stellvertreter Norbert Hofer, EU-Parlamentarier Harald Vilimsky und der spätere Klubobmann Johann Gudenus. Die Karrieren von Strache und Gudenus endeten infolge des Ibiza-Skandalvideos - mit Aussagen in Anwesenheit der vorgetäuschten Nichte eines russischen Oligarchen.

Prunk war Strache nie abgeneigt. Auch Gelder aus Russland könnten an die FPÖ geflossen sein. Das legte ein "Profil"-Artikel im Februar nahe. Die Freiheitlichen wären für einen Antrag im Nationalrat 2016 bezahlt worden, in dem die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland infolge der Besetzung der Halbinsel Krim gefordert wurde. Die SPÖ verwies daraufhin auf insgesamt 30 prorussische Anträge der FPÖ. Die Freiheitlichen dementierten und antworteten mit einer Klage gegen die Sozialdemokraten.

Kommunisten für Putin

Die Konsequenzen der freiheitlichen Russland-Nähe reichen aber weit über Österreichs Grenzen. Nachdem Kickl unter Türkis-Blau Innenminister wurde, kam es zum Machtkampf im ÖVP-dominierten Bundesamt für Verfassungsschutz für Verfassung und Terrorismusbekämpfung. Mögliche Spionage eines Beamten für Russland schreckte internationale Geheimdienste zusätzlich auf. Zeitweise wurde das BVT vom Informationsfluss unter den Nachrichtendiensten abgeschnitten. Unter der Regierung von ÖVP und Grünen wurde das BVT aufgelöst. Wellen im Ausland schlug auch Putins Auftritt bei der Hochzeit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl, der im Diener vor dem Kreml-Herrn gipfelte.

Mit ihrer Haltung gegenüber Russland steht die FPÖ alleine im Nationalrat da, aber nicht in der heimischen Parteienlandschaft. Der steirische KPÖ-Landtagsabgeordnete Werner Murgg unterstellte der Ukraine, im "Windschatten des EU/US-Imperialismus" entstanden zu sein. Auch die Kommunisten wollen ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Hier sind sich der linke und der rechte Rand des Parteienspektrums einig.