Nicht nur in Polen, auch in der Slowakei, Tschechien und Ungarn erhalten Europaskeptiker regen Zulauf: Die Euphorie des 1. Mai macht jetzt der Ernüchterung Platz.
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Die Befürchtung ist mehr als einmal ausgesprochen worden: Auf die EU-Erweiterung könnte in den frisch aufgenommenen Mitgliedsstaaten eine neue Welle des Populismus folgen. Denn auch wenn die Wirtschaft im Osten weiterwächst, die Zahl derer, die vom Wohlstand ausgeschlossen werden, steigt ebenfalls. Und daran wird sich vorläufig nicht so schnell etwas ändern. Weit über zwanzig Prozent beträgt regional die Arbeitslosigkeit in vielen der neuen Mitgliedsstaaten. Nach der Euphorie des 1. Mai droht bei der Wahl zum europäischen Parlament daher Ernüchterung. Nicht nur in Polen, wo der einstige Bauernführer Andrzej Lepper als "postiver Diktator" die Macht übernehmen möchte, auch in der Slowakei, in Tschechien und Ungarn finden Programme obskurer Halbdemokraten zahlreiche Anhänger.
Nicht mehr als vierzig Prozent wird laut einer aktuellen Gallup-Umfrage die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen in der Slowakei betragen. Zugute wird das jenen beiden Parteien kommen, die über eine besonders disziplinierte Wählerschaft verfügen: der linkspopulistischen Smer von Robert Fico und der rechtspopulistischen HZDS von Vladimir Meciar - zusammen könnten sie fast die Hälfte der Stimmen erreichen. Dass Meciar mit Brüssel nicht gerade ein innig freundschaftliches Verhältnis pflegt, ist bekannt. Von Robert Fico weiß man wiederum, dass er im Zweifelsfall eher gegen internationales Kapital wettert als besonnen von der europäischen Integration zu sprechen.
Nicht viel anders die Situation in Tschechien. Auf der rechten Seite wird das populistische Potential zwar vom ODS-Bürgerforum gebunden und somit möglicherweise ein wenig entschärft, auf der linken Seite können sich indessen die betont europafeindlichen Genossen von der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens auf einen beträchtlichen Erfolg freuen. Bis zu 14 Prozent und den zweiten Platz hinter dem ODS sagen ihnen Meinungsumfragen voraus. Die tschechischen Kommunisten werden nach wie vor von einem stalinistischen Kern rund um den Langzeitvorsitzenden Miroslav Grebenicek dominiert. Als Grebenicek im Mai wieder zum Parteichef gewählt wurde, gab es freundliche Grußbotschaften aus Nordkorea und Kuba.
In Ungarn lässt sich ebenfalls ein Erfolg von europaskeptischen Populisten erwarten, auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach scheinen mag. Denn die rechtsradikale MIEP-Partei des dichtenden Antisemiten Istvan Csurka wird kaum den Einzug in das EU-Parlament schaffen. Doch der in Meinungsumfragen führende Fidesz-Bürgerbund von Ex-Premier Viktor Orban zeigt inzwischen mehr als nur leise antieuropäische Tendenzen. Die Klage über einen Ausverkauf Ungarns führt Orban inzwischen ebenso oft im Mund wie es früher Csurka getan hat. Oder wie es Spötter beschreiben: Als Orban noch ein urbaner und europäisch denkender Jungpolitiker war, trug er Jeans und legere Hemden. Später stieg er auf immer teurere Maßanzüge um, inzwischen sei er aber bereits bei volkstümelnder Lodentracht angelangt.