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Aufzugskartell-Klage: Kleine scheuen das Prozessrisiko

Von Stefan Melichar

Wirtschaft
Wien und Salzburg haben bereits Klage gegen die Lift- und Rolltreppenfirmen eingebracht, BIG und Immofinanz werden dies heute, Dienstag, erledigen. Foto: Wiener Linien

Kläger wollen mehr als 100 Millionen Euro zurück. | Auch Immofinanz reicht Klage ein - ÖBB dürften folgen. | Wien. Die Schwergewichte bringen sich in Stellung, kleinere Betroffene zaudern noch oder winken überhaupt ab: Wer keinen Streit über eine Verjährung von Ansprüchen riskieren will, muss bis heute, Dienstag, um 15.30 Uhr seine Schadenersatzklage gegen das sogenannte Aufzugskartell beim Handelsgericht Wien einbringen. Die Städte Wien und Salzburg haben dies bereits am Montag erledigt, der Bund, die Stadt Linz und die Immofinanz werden folgen.


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Auch die ÖBB dürften gerichtlich gegen die Aufzugs- und Rolltreppenhersteller vorgehen - ebenso wie mehrere Wohnbaugenossenschaften und das eine oder andere Bundesland. Insgesamt betragen die Forderungen deutlich mehr als 100 Millionen Euro, wie aus involvierten Kreisen zu hören ist. Hintergrund der Klagen ist eine Ende 2008 erfolgte Verurteilung der Lift-Firmen Otis, Kone, Schindler und Thyssen-Krupp wegen unerlaubter Absprachen: Den Firmen wurde damals eine Rekord-Kartellbuße von insgesamt 75,4 Millionen Euro aufgebrummt.

Überhöhte Preise?

Darüber hinaus fordern nun zahlreiche Großkunden Geld zurück. Sie behaupten, von 1988 bis 2005 wegen der Kartellabsprachen überteuerte Errichtungs- und Wartungsverträge erhalten zu haben. Die Immofinanz - über die Buwog einer der größten Wohnungseigner des Landes - wird sechs Millionen Euro einklagen, wie ein Sprecher gegenüber der "Wiener Zeitung" bestätigt. Dies ist deutlich weniger als ursprünglich ventiliert; mittlerweile seien allerdings einige Gebäude verkauft worden.

Insgesamt werden die Schadenersatzforderungen die Kartellstrafe dennoch deutlich übertreffen. Dabei dürfte die Stadt Wien, die geschlossen mit Wiener Wohnen, Wiener Linien und dem Wiener Krankenanstaltenverbund gegen die Aufzugsfirmen vorgeht, einen kräftigen Beitrag leisten. Summen werden nicht genannt: "Wir wollen dem Gericht nichts über die Medien ausrichten", so Rudolf Gerlich, Sprecher der Magistratsdirektion zur "Wiener Zeitung".

BIG zieht vor Gericht

Allerdings ist - angesichts der zahlreichen betroffenen Einrichtungen - wohl davon auszugehen, dass die Ansprüche Wiens ein Mehrfaches jener des Landes Oberösterreich ausmachen - in Oberösterreich ist immerhin von 20 Millionen Euro die Rede. In einer ähnlichen Kategorie wie Wien dürfte sich auch der Bund bewegen: Die Bundesimmobiliengesellschaft will definitiv heute, Dienstag, Klage einbringen, wie Sprecher Ernst Eichinger bestätigt. Details werden erst dann veröffentlicht.

Deutlich geringer fällt die eingeklagte Summe der Stadt Salzburg aus. Die Mozartstadt fordert 980.000 Euro für 135 Liftanlagen. Mit abnehmendem Schaden sinkt auch die Bereitschaft Betroffener, sich auf ein derartiges Gerichtsverfahren einzulassen. Man habe sich noch nicht endgültig entschieden, erklärt etwa Norbert Wisiak, Leiter des Amtes für Wohnungsangelegenheiten der Stadt Graz.

Tatsächlich hat es bis jetzt in Österreich noch keinen vergleichbaren Prozess gegeben. Einige Kläger würden die Erfolgschance mit 50 bis 60 Prozent einstufen, meint Wisiak.

Angesichts des Risikos, auf Anwalts- und Prozesskosten für mehrere Jahre sitzen zu bleiben, würden sich weder das Land Steiermark noch steirische Wohnungsgenossenschaften an einer Klage beteiligen, so der Experte. Auch in Wien hätten einige Genossenschaften abgewunken.