China, USA und die EU liefern einander ein globales Wettrüsten, von dem am Ende vielleicht niemand profitiert.
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Die EU braucht eine angemessene Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA, der vor allem grüne Technologien fördern soll, und die hochdotierten Subventionen Chinas für klimaneutrale Technologien. Das sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sinngemäß diese Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos und vor den Abgeordneten des EU-Parlaments. Die angemessene Antwort soll der Industrieplan des Green Deals der EU sein. Dieser sieht eine Lockerung des EU-Beihilfenrechts für die einzelnen Mitgliedstaaten vor, aber "no fresh money", wie von der Leyen beteuerte. Also keine neuen Finanzhilfen aus Brüssel.
Stattdessen sollen die EU-Länder auf den im Jahr 2021 paktierten, mehr als eine Billion Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds nach Corona zugreifen, für den die Europäische Union sogar erstmals gemeinsame Schulden aufnimmt. Reichen die Pläne, damit die EU im globalen Protektionismuswettlauf nicht unter die Räder kommt? Und braucht es genau diese Art der Subventionspolitik überhaupt?
China legt vor
Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), warnte im Dezember des Vorjahres - also vor der Vorstellung des EU-Industrieplans - in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor einer "globalen Protektionismusspirale". "Damit entsteht ein klassisches Gefangenendilemma: Die Subventionen heben sich in ihrer Wirkung gegenseitig auf, aber die Kosten bleiben", schreibt er dort. Diese "Spirale" hat, so könnte man sagen, China in Gang gesetzt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat es sich zum Ziel gemacht, Weltmarktführer für klimafreundliche Technologien zu werden. Im 14. Fünfjahresplan (2021 bis 2025) wurde die "Made in China 2025"-Strategie samt milliardenschwerer Subventionen für grüne Technologien und die Förderung der dafür benötigten Rohstoffe festgehalten. Laut Bloomberg kontrolliert Peking jetzt schon zumindest 60 Prozent der globalen Ressourcen in jeder Stufe der Photovoltaik-Produktionskette.
Die USA reagieren darauf mit dem IRA. Allein 260 Milliarden Dollar sind für den Ausbau von Solar-, Wind- und Wasserkraft vorgesehen. Unter anderem soll es einen Steuernachlass für E-Autos, die großteils in den USA hergestellt wurden, von bis zu 7.500 Dollar geben. Für importierte Fahrzeuge aus Deutschland, Japan oder Frankreich gilt das nicht. Und jetzt muss auch die EU auf Druck der Industrie nachziehen, um nicht unter die Räder zu kommen und das befürchtete Abwandern heimischer Betriebe in die USA zu verhindern.
Gegenseitiges Aufschaukeln
"Ganz allgemein wäre ich vorsichtig, weil fast schon ein kleiner Subventionskrieg ausbricht. Das schaukelt sich auf", sagt die Industrieökonomin und Wifo-Expertin Agnes Kügler zur "Wiener Zeitung". Die protektionistische Industriepolitik Chinas und der USA bringe die EU in Zugzwang und es sei verständlich, dass die Politik hier angemessen reagieren wolle, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. "Es ist aber noch völlig unklar, ob der IRA ein Nachteil, oder vielleicht sogar ein Vorteil für die EU-Industrie ist", so Kügler. Die US-Subventionen würden wie Einfuhrzölle wirken, die EU-Hersteller teilweise vom Markt ausschließen. Dadurch werde aber das Warenangebot in Europa erhöht und die Preise für europäische Konsumentinnen und Konsumenten, zum Beispiel für E-Autos, würden sinken. Außerdem birgt das 370 Milliarden US-Dollar schwere Paket, das über neun Jahre verteilt ausbezahlt wird, die Gefahr, die US-Inflation anzuheizen.
Kügler, aber auch andere Ökonomen wie etwa Felbermayr, plädieren für globale Kooperationen, statt Subventionen. Etwa für einen gemeinsamen "Klimaklub" mit den USA, Kanada, Mexiko und Großbritannien - mit einheitlichen Klimastandards und Ausgleichszöllen.
Nachteil für kleine Länder
Zurück zum EU-Industrieplan: kein frisches Geld, aber eine temporäre Lockerung des Beihilfenrechts. Damit sollen die EU-Staaten ihrerseits leichter gewisse Industriebereiche aus den nationalen Budgets subventionieren können. Kritiker führen hier ins Treffen, dass das einen eigentlich unerwünschten Standortwettbewerb innerhalb der EU befeuern könnte. Außerdem könnte das eine Reihe von Nachteilen für kleinere EU-Länder mit kleinen Budgets mit sich bringen, die im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich weniger Fördermittel aufbringen können. Auch hier verwies von der Leyen auf den bestehenden EU-Aufbaufonds.
"Nichts Neues unter der Sonne", nannte Simone Tagliapietra vom Brüsseler Wirtschafts-Thinktank Bruegel die Pläne. "Das Problem ist nicht, dass Europa keine grüne Industriepolitik hat. Das Problem ist, dass Europa zu viele davon hat", wird er vom Nachrichtenportal Euractiv zitiert. Es brauche länderübergreifende Synergien, eine Harmonisierung der der Vorgaben und Regeln sowie ein gemeinsames Vorgehen, etwa beim internationalen Netzausbau oder Infrastrukturprojekten. Nur so schaffe man relevante und wettbewerbsfähige Größenordnungen. Erfolgreiche Beispiele seien die EU-Batterie-Allianz, die Rohstoff- und Solarallianzen, die man ausweiten müsse.