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An der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wird viel herumgemäkelt, doch eines hat Mario Draghi geschafft: Die Niedrigzins-Politik schickt den Euro - endlich - in die richtige Richtung: nach unten. Je schwächer der Euro, desto besser für die Exportindustrie Europas. Somit ist es erneut der EZB-Präsident, der etwas unternimmt, um die Wirtschaft des Euroraumes zu gesunden. Dass Frankreichs Präsident François Hollande einen noch stärkeren Verfall des Euro verlangt, zeigt die Unfähigkeit der europäischen Politik recht gut. Es ist nicht zuletzt Frankreich, das mit seiner Misere einen Aufschwung verhindert. Auch Italien kämpft, ein Null-Wachstum ist schon ganz gut - es könnte ärger sein nach den verlorenen Jahren unter Silvio Berlusconi. Und seit Monaten kommt die Ukraine-Krise hinzu.
All dies stürzt Europa in ein wirtschaftliches Loch, aus dem uns auch die mächtigen Zentralbanker nicht befreien können. Sie können die Situation erleichtern, es bleibt Symptom-Kur.
Die Krankheit an der Wurzel packen muss die Politik, doch die schläft. Deutschland wirkt erneut zögerlich, die EU-Institutionen in Brüssel sind auf Urlaub. Im Herbst, wenn die neue Kommission steht, sind aber starke Aktionen gefragt. Die Herausforderungen der Globalisierung verlangen in der Energie- und Industriepolitik nach europäischen Lösungen. Ein Teil der Misere, auch am Arbeitsmarkt, ist darauf zurückzuführen, dass auf globale Fragen nationale Antworten gegeben werden. Genau das funktioniert nicht mehr.
Europas einzige globale Institution ist die Europäische Zentralbank. Wenn Europa eine Telefonnummer hat, dann ist es jene Draghis in Frankfurt. Die EZB hat einen größeren Kollaps verhindert und ist auf Augenhöhe mit den Zentralbanken der USA, Chinas, Japans. Kein Politiker Europa ist auf Augenhöhe mit den Regierungschefs in Washington, Peking und Tokio.
Das sollten die 28 Regierungschefs und das EU-Parlament endlich akzeptieren - und sich zu tiefen Strukturänderungen durchringen. Tun sie es nicht - wovon leider auszugehen ist -, wird es keine Erholung in Europa geben. Das beste Konjunkturprogramm liegt in den Händen der europäischen Regierungschefs - sie müssten sich weitgehend aus dem Spiel nehmen. Wer es nicht glaubt, soll sich die Rolle Draghis in der Welt des Geldes vor Augen führen.