Zum Hauptinhalt springen

Aus alten Fehlern lernen

Von Martin Sattler

Wirtschaft

Diskussionsrunde zum Thema Pleiten. | Welche Frühwarnindikatoren gibt es? | Wien . Im ersten Quartal des laufenden Jahres gab es in Österreich 1700 Insolvenzen mit über 400 Euro Gesamtpassiva. Damit ist die Zahl der Insolvenzfälle gegenüber dem Vorjahr zwar gleichgeblieben, die Höhe der Verbindlichkeiten ist allerdings um fast 20 Prozent angestiegen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Für Jobst Wellensiek, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter in Heidelberg, liegt der Hauptgrund für die hohe Zahl gestrandeter Unternehmen im negativen Image der Insolvenz. Aus Furcht vor gesellschaftlicher Ächtung würden sich viele Unternehmer zu spät an einen Sanierer oder Unternehmensberater um Hilfe wenden. "Es ist fast wie früher, als man sich aus Scham eine Kugel in den Kopf geschossen hat", so Wellensiek am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion in der Zentrale der Bank Austria-Creditanstalt zum Thema "Krise als Chance". Dabei bietet für ihn das Konkursverfahren die Chance, neu zu starten und aus alten Fehlern zu lernen bzw. zumindest die ertragreichen Teile eines Betriebes zu sichern.

70 Prozent der Unternehmenskrisen resultieren aus Managementfehlern. Viele Geschäftsführer würden nicht verstehen, dass man ein Unternehmen heute anders führt als noch vor 30 Jahren, kritisiert der Sanierer Stefan Pierer. Daher sei es besonders wichtig, junge Mitarbeiter in die Führungsetagen zu holen, die sich auch trauen, ihrem Chef zu widersprechen.

Eigentümer als Hürde

Genauso schlimm ist es, wenn die Eigentümer zu schwach sind und die Manager frei agieren lassen. Daher kann Pierer einem Insolvenzverfahren insoweit Positives abgewinnen, als sich hier meistens die Eigentümerstruktur ändert. Sanierung wird zwar als Chance gesehen, trotzdem bedeutet diese Chance aber auch großes Risiko. Für Anwalt und Investor Rudolf Fries ist ein Sanierungsversuch nur dann erfolgreich, wenn der Sanierer ausreichend Eigenkapital mitbringt. Die absolute Untergrenze liegt für ihn bei 20 bis 30 Prozent. Ohne eigene finanzielle Deckung in vernünftiger Höhe würden auch Banken bei der Kreditgewährung abblocken, da das Risiko eines erneuten Scheiterns zu groß wäre. Von Glücksrittertum, bei dem Unternehmen in der Hoffnung auf schnelles Geld um einen symbolischen Euro erworben werden, hält Fries wenig.

Wie erkennen die Experten eine nahende Krise? Beim Absinken der Eigenkapital-Quote unter 50 Prozent, einem Investitionsstopp in Forschung und Entwicklung sowie verspätet eingereichten Bilanzen sollten bei Banken und Geschäftspartnern die Alarmglocken läuten.

Absage an Chapter 11

Generell sind die Experten aber mit den Werkzeugen, die das heimische Insolvenzrecht bietet, zufrieden. Eine Regelung nach US-Vorbild (Chapter 11), über die immer wieder auch in Österreich gesprochen wird, würde hingegen die Altschulden nur einfrieren und das Liquditätsproblem vor sich herschieben.