Plädoyers von Anklage und Verteidigung. | Nur geringes Besucherinteresse. | Prozess wegen der Hitze am Nachmittag unterbrochen. | Wien. Vom angekündigten Massenandrang war wenig zu sehen, als gestern, Montag, der größte Wirtschaftsprozess in der Geschichte Österreichs begann. Lediglich als ein gebrechlich wirkender Helmut Elsner als letzter der neun Angeklagten im Bawag-Prozess den Gerichtssaal betrat, mussten die Justizwachebeamten die Absperrung zwischen Besucher- und Verhandlungsraum gegen die andrängenden Fotografen stützen. Als Richterin Claudia Bandion-Ortner "die Strafsache gegen Helmut Elsner und andere" eröffnete, war der Große Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht - abgesehen von den für Journalisten reservierten Plätzen - nur spärlich besetzt. Zahlreiche Kiebitze waren dem Prozess wohl aufgrund der Hitze ferngeblieben.
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Frühe medizinische Pause für Elsner
Das Wetter schien auch Helmut Elsner, dem Hauptangeklagten im Prozess um die Veruntreuung von rund 1,4 Milliarden Euro der ehemaligen Gewerkschaftsbank, zuzusetzen: Das einstündige Eröffnungsplädoyer von Staatsanwalt Georg Krakow musste bereits nach zehn Minuten unterbrochen werden, da der herzkranke Ex-Bawag-Chef ärztlich untersucht werden musste.
In seinen Ausführungen ging Krakow dann einerseits auf den Ablauf der Affäre um den Verlust von 1,4 Milliarden Euro und die darauf folgende Vertuschung der Verluste durch den Bawag-Vorstand, andererseits auf die Verfehlungen der einzelnen Angeklagten ein. Neben Helmut Elsner sind sein Nachfolger Johann Zwettler, der Investmentbanker Wolfgang Flöttl, Ex-Bawag-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger, die ehemaligen Bawag-Vorstände Peter Nakowitz, Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker sowie der einstige Bawag-Bankenprüfer Robert Reiter angeklagt.
Man wollte das Glück erzwingen
Krakow führte aus, dass bei den getätigten Geschäften von vornherein ein derart hohes Verlustrisiko bestanden habe, dass deren Durchführung jeden legalen Rahmen gesprengt hat. Allerdings sei erst ab dem Herbst 1998, also ab der ersten von drei Verlustwellen, ein Vorsatz nachweisbar. Von diesem Zeitpunkt an, so Krakow, wurde im großen Stile vertuscht und dem Investmentbanker Flöttl illegal weiteres Geld zur Veranlagung zur Verfügung gestellt, das dieser ebenfalls prompt verspekulierte. Der Aufsichtsrat sei über die wahren Geschäfte bewusst getäuscht worden. Man habe das Glück erzwingen wollen.
Als Kopf hinter diesen Aktivitäten ortet der Staatsanwalt Helmut Elsner. Eine kollegiale Führung habe es im damaligen Bawag-Vorstand nicht gegeben, dennoch hätten alle Vorstände dieselbe Verantwortung getragen. 1998 habe die Möglichkeit bestanden, sich mit dem Eingeständnis der Verluste anständig aus der Affäre zu ziehen, so Krakow. Doch aus Angst vor negativer Publicity habe der Vorstand "die Bank verspielt".
In seinem Plädoyer kündigte Krakow an, dass die Justiz auch jene Karibik-Geschäfte untersuchen werde, die der Bawag bis 1994 satte Gewinne gebracht hatten, obwohl für diesen Prozess nur die Geschäfte ab 1995 relevant seien.
ÖGB: Gelder wurden auch abgezweigt
Der Anklage schlossen sich sowohl der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) als ehemaliger Bawag-Eigentümer, als auch die Bawag-PSK als Privatbeteiligte an. ÖGB-Anwältin Gerda Kostelka-Reimer bezweifelte, dass das gesamte Geld, das Flöttl zur Verfügung gestellt wurde, tatsächlich verspekuliert, sondern teilweise abgezweigt wurde. Ein Vorwurf, dem Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder vehement widersprach. Kostelka-Reimer gründete ihren Verdacht darauf, dass Flöttl in jener Zeit der Bawag-Totalverluste für die Meindl-Bank Gewinne machte. Die Anwältin steigerte sich in ihre Ausführungen derart hinein, dass sie von Richterin Bandion-Ortner zweimal zur Sache gerufen werden musste, unter dem Hinweis, dass eigene Plädoyers für die Privatbeteiligten nicht vorgesehen seien. Zeitweise wirkte das Auftreten Kostelka-Reimers tatsächlich eher wie ein Debattenbeitrag im Parlament als wie Anmerkungen zum Plädoyer des Staatsanwalts.
Dann war die Verteidigung an der Reihe: Elsners Anwalt Wolfgang Schubert, während dessen Rede sich sein Mandant wiederholt ans Herz griff, ohne jedoch um eine Unterbrechung der Verhandlung zu bitten, kritisierte die mediale "Menschenjagd" und die Vorverurteilungen, die dem Prozess vor-angegangen seien. So habe etwa ein bekannter Politologe im ORF-Fernsehen Helmut Elsner, den Schubert als liebenden Familienvater beschrieb, der seiner Enkelin stundenlang Geschichten erzählt, quasi zum Suizid aufgefordert. Schließlich hätten Manager früher den Anstand gehabt, sich umzubringen.
Liebevoller Vater und erfolgreicher Manager
Insgesamt zeichnete Schubert ein völlig anderes Bild seines Mandanten, als dies in manchen Medien vermittelt wird: Elsner sei ein erfolgreicher Manager gewesen, der die Bawag zu einer modernen, großen Bank gemacht habe. Auch sei die Strategie, die Verluste ohne großes Aufsehen abzuwickeln, richtig und erfolgreich gewesen. Persönliche Bereicherung habe es durch Elsner nicht gegeben. Für den Anwalt ist auch der Betrugsvorwurf bezüglich ausgezahlten Prämien und Pensionen nicht haltbar.
Die Mittagspause nach Schuberts Rede kam ob der großen Hitze für viele gerade rechtzeitig. Vor allem Helmut Elsner wirkte müde und abgespannt. Doch auch die übrigen Prozessteilnehmer litten unter den Temperaturen.
Den nachmittäglichen Reigen - Helmut Elsner erschien nach dem Mittagessen ohne Krawatte - eröffnete Wolfgang Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder, der auf die große Bereitschaft seines Mandanten verwies, die Ermittlungen der Behörden zu unterstützen. So kämen etwa 70 Prozent der Beweisunterlagen von Flöttl. Dieser sei außerdem "der Einzige hier, der eigenes Vermögen verloren hat." Sein Mandant sei für seine Spekulationsgeschäfte mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet gewesen. "Es war klar, er darf alles. Er darf nur das Geld nicht stehlen", was er auch nicht getan habe, sagte der Anwalt in Richtung ÖGB-Anwältin Kostelka-Reimer. Wenn Geld verloren gehe, sei dies nicht unbedingt ein Kriminalfall, schloss Eichenseder. Zwar seien die Geschäfte riskant gewesen, allerdings im Rahmen des Zulässigen.
"Bankgeschäft immer mit Risiko verbunden"
Auch der Anwalt von Johann Zwettler verwies darauf, dass "das risikolose Bankgeschäft noch nicht erfunden" worden sei. Der einzige Vorwurf, der sich aus der Anklage ergebe, sei jedoch, dass ein Risikogeschäft gemacht wurde, bei dem sich das Risiko verwirklicht habe. So werde unterstellt, dass es kriminell sei, Risiken einzugehen. Diese gehörten aber zum Bankgeschäft dazu.
Der Anwalt von Ex-Bawag-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger sieht den Untreue-Vorwurf gegen seinen Mandanten nicht gerechtfertigt. Weninger sei vom "Triumvirat der Macht" in der Bank, nämlich Elsner, Nakowitz und Zwettler nur "pro forma" informiert worden.
Der Anwalt von Peter Nakowitz kündigte an, dass sich sein Mandant "nicht schuldig" bekennen werde und kritisierte, dass er zu wenig Zeit zur Prozessvorbereitung gehabt habe.
Um 14.45 Uhr wurde die Hitze im Gerichtssaal schließlich auch Richterin Bandion-Ortner zu viel und sie brach die Verhandlung vorzeitig ab. Fortgeführt wird der Prozess heute, Dienstag, ab 9.15 Uhr.