Trotz der Beitrittsgespräche steht eine Erweiterung der Europäischen Union derzeit nicht zur Debatte.
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Am späten Abend mochten es etliche Journalisten noch immer nicht glauben. Und auch so manches Delegationsmitglied war skeptisch, ob ein Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs, das am Donnerstag beginnt, auch am Donnerstag zu Ende gehen kann. Sie alle waren schon, gestützt auf ihre Erfahrungen, auf eine lange Nacht im Ratsgebäude auf dem Brüsseler Schuman-Platz eingestellt, auf Stunden des Wartens auf die Ergebnisse der Beratungen und auf deren Fortsetzung am folgenden Tag. Denn bisher dauerten die zwei Mal pro Halbjahr stattfindenden Zusammenkünfte der Spitzenpolitiker zwei Tage.
Doch vor Mitternacht war klar: Das Treffen ist vorbei. Damit hat der neue EU-Ratspräsident Donald Tusk schon eines seiner Vorhaben durchgesetzt. Der Pole wollte die Sitzung straffen. Bei Italiens Premier Matteo Renzi, dessen Land noch eineinhalb Wochen den EU-Vorsitz innehat, löste das Zufriedenheit aus. Er könne die Nacht im eigenen Bett statt in einem Brüsseler Hotelzimmer verbringen, frohlockte er bei der abschließenden Pressekonferenz.
Tusk, der gerade einmal zu Monatsbeginn das Amt von Herman Van Rompuy übernommen hatte, würde es auch in Zukunft gerne so halten: kürzere Gipfel, keine überbordende Tagesordnung und bloß keine Schlussdokumente, die dutzende Seiten umfassen. Dieses Mal standen lediglich zwei Punkte auf der Agenda: das von der EU-Kommission vorgeschlagene Investitionsprogramm und der Konflikt um die Ukraine.
Was sich nicht darauf befand, war ein Thema, das seit mehr als einem Jahrzehnt bei den Dezember-Treffen besprochen oder zumindest erwähnt wurde. Die Erweiterung der Europäischen Union ist aus dem Fokus gerückt.
Das soll einigen westeuropäischen Mitgliedstaaten - unter anderem Deutschland - durchaus gelegen kommen. Und es entspricht der Vorgabe der Kommission, deren Präsident Jean-Claude Juncker erklärt hat, dass sich die Gemeinschaft während seiner fünfjährigen Amtszeit nicht ausweiten werde. Streng genommen gibt es nicht einmal einen Erweiterungskommissar mehr: Johannes Hahn ist für Nachbarschaftspolitik und Beitrittsgespräche zuständig.
Dennoch müsse die Perspektive einer Mitgliedschaft vor allem für die Länder des Westbalkan aufrechterhalten werden, befand Hahns Landsmann, der österreichische Außenminister Sebastian Kurz vor wenigen Tagen. Ohne Motivation würde es nämlich zu Rückschritten kommen, wie etwa in Mazedonien. Das ist in seiner Annäherung an die EU wegen eines Namensstreits mit Griechenland blockiert. Bosnien-Herzegowina tritt in dem Prozess ebenfalls seit Jahren auf der Stelle; das komplizierte Staatsgefüge erschwert dort wirtschaftliche und politische Reformen enorm.
Doch obwohl sich die Staats- und Regierungschefs selbst nicht damit beschäftigten, war es die Woche der Gespräche mit Vertretern der Kandidatenländer und solcher, die es gerne wären. Mazedoniens Premier war in Brüssel ebenso zu Gast wie der kosovarische Außenminister. Montenegro konnte weitere Verhandlungskapitel eröffnen, und Serbien kam dieser Möglichkeit näher. Es sind allerdings alles nur Trippelschritte Richtung EU.